Gründer:innen-Kompensation

Gründer:innen-Kompensation

Phase
Eigentumskonzept entwerfen
Inhalts-Typ
Einzelarbeit - lesen
Bearbeitungszeit
25-30 Min
icon
Leitfrage

Soll es ausserhalb von normalen Lohn- und Gehaltsregelungen einen rechtlich garantierten Anspruch für Gründer:innen geben?

Grundgedanken, Herangehensweise und mögliche Umsetzungen

Summary

Wer soll dazu berechtigt sein Gründer:innen-Kompensation zu erhalten? Wie hoch sollte diese maximal sein? Was sind die konkreten Bedürfnisse? Wie, wann, in welcher Höhe? Da es oftmals schwierig ist, bei Gründungen über die Höhe zu entscheiden, kann bspw. auch ein Prozess festgelegt werden, welcher zu einem bestimmten Zeitpunkt gestartet wird.

Grundgedanke der Gründer:innen-Kompensation

Die Grundidee des Verantwortungseigentums ist es, dass alle Menschen im Unternehmen auf Basis von Rollen, Verantwortung und Leistung bezahlt werden und nicht für einen reinen Status, wie es der der Gesellschafter:innen sein kann. Das Selbstbestimmungsprinzip stellt sicher, dass die Rolle der Verantwortungseigentümer:innen, die treuhänderisch die Stimmrechten halten, an die aktive Tätigkeit im Unternehmen, die Mitarbeit oder Geschäftsführung, geknüpft ist. Doch gerade in der Gründungsphase eines Unternehmens können und sollen diese aktiv erbrachten Leistungen häufig nicht vergütet werden – und wenn doch, dann stark unter dem Marktwert. Bei klassischen Start-ups wird diese nicht bezahlte Leistung später über Ausschüttungen oder einen Anteilsverkauf im Rahmen des Exits kompensiert. Auch bei Unternehmen in Verantwortungseigentum ist eine Kompensation dieser Leistungen über eine Gründer:innen-Kompensation möglich und wird von vielen Start-ups umgesetzt. Grundsätzlich ist der Erhalt der Kompensation von der Entwicklung des Unternehmens – und damit auch immer vom Erfolg – abhängig. Dieses Dokument soll eine Übersicht geben, wie man sich der individuellen Gründer:innen-Kompensation nähern kann, welche Faktoren rund um die Höhe der Kompensation häufig einfließen und welche Rolle der/die Kontrollgesellschafterin dabei spielt.

Grundsätzlich ist die Entscheidung über die Gründer:innen-Kompensation und deren Höhe eine äußerst persönliche, individuelle Frage, der sich auch entsprechend genähert werden muss. Erst über das Erkennen und Benennen der eigenen subjektiven Bedürfnisse kann man zu einer passenden Lösung gelangen. In diesem Sinne sollen die folgenden Beschreibungen lediglich einen Rahmen und Inspiration bieten, wie das Thema angegangen werden kann, können aber nicht den zuvor beschriebenen Bedürfnis-Weg ersetzen.

Herangehensweise und Faktoren

In einem ersten Schritt gilt es, eine Vorstellung der Größenordnung für die Kompensation durch die Betrachtung der Bedürfnisse und Wünsche der Gründer:innen zu erlangen. Dabei sollte es von den abstrakten Wünschen an eine monetäre Kompensation zu den konkreten Antworten auf die folgende Fragen kommen: Wie viel? Wann? Warum? Diese Fragen sollen zu einem allgemeinen Bewusstsein für die Bedürfnisse und die (wahrgenommenen) Ansprüche der beteiligten Personen führen und den Diskurs darüber ermöglichen.

Die Frage des „Warum“ ist insbesondere für den weiteren Prozess auch mit dem/der Kontrollgesellschafter:in/Veto-Anteil-Halter:in entscheidend, daher werden im Folgenden einige der Faktoren aufgezählt, die häufig bei der Argumentation für die Höhe der Kompensation eine Rolle spielen:

  • Gehaltsverzicht: Als Vergleichsgröße werden häufig Gehälter aus vorherigen Berufen oder Vergleiche aus der Branche herangezogen.
  • Investiertes Kapital: Stammkapital und weitere Investments in die Firma können verzinst in die Betrachtung einfließen.
  • Risiko und Commitment: Ein Faktor oder Betrag für das Risiko, welches als Gründer*in eingegangen wurde (und all die schlaflosen Nächte).
  • Zeit im Unternehmen: Die Auszahlung der Kompensation selbst kann auch an ein bestimmte Betriebszugehörigkeitsdauer geknüpft sein.

Wenn die Purpose Stiftung Kontrollgesellschafterin werden soll

Wenn die Purpose Stiftung die Verwaltung des Veto-Anteils zur Sicherung der Verantwortungseigentums-Prinzipien übernehmen soll, wird im Rahmen des „Statuten-Checks“ auch die Gründer:innen-Kompensation mit untersucht. Dafür sollte ein Vorschlag für die Höhe und Ausgestaltung der Gründer:innen-Kompensation verfasst werden und für den Statuten-Check mit an die Purpose Stiftung übergeben werden.

Die Beurteilung, ob der Vorschlag des Unternehmens im Rahmen der Idee des Verantwortungseigentums ist, basiert vor allen Dingen auf folgenden Kriterien:

  • Die Kompensation ist gedeckelt.
  • Die Kompensation ist erklärbar und kohärent zu den übernommenen Verantwortungen und Rolle. Folgende Faktoren werden häufig von Unternehmen einbezogen (siehe oben):
    • Gehaltsverzicht (in Relation zu Zeit)
    • Monetäre Investitionen
    • Risiko
  • Dazu gibt es eine bedarfsorientierte Komponente, die bspw. mit dem Hinblick auf Altersvorsorge oder Lebenssituation der Gründer:innen einfliesst.
  • Die Kompensation kann abhängig von der Performance des Unternehmens sein, sollte jedoch keine Spekulation auf die Zukunft darstellen oder Anreize erzeugen, die die Steuerung des Unternehmens zu Lasten des langfristigen Unternehmenszwecks beeinflussen würden.

Gründer:innen-Kompensation und Finanzierung

Sollte eine Gründer:innen-Kompensation beschlossen werden, ist diese zumeist für die Verhandlungen mit Investor:innen relevant. Von Investor:innen-Seite besteht häufig das Bedürfnis,  die Kompensation in ein passendes Verhältnis zu den Liquiditätsansprüchen der Geldgeber:innen zu bringen. Hier wirst du nochmals gefordert werden, die Höhe und Modalität – in Relation zu den Gewinnansprüchen der Investor:innen – zu erklären.

icon
Tipp

Stelle dir vor, dass du auf einer Bühne stehst und über das Thema Verantwortungseigentum und dein Unternehmen berichtest. Dann kommt die Frage auf, wie ihr die Gründer:innen-Kompensation angegangen seid. Du musst erklären, wie ihr zu eurer Kompensation gekommen seid. Wie fühlt sich deine Erklärung vor dem Publikum für dich selbst an?

Deine Antwort muss und soll nicht jedem passen, aber diese Frage könnte helfen, für dich herauszufinden, was du als passend und kohärent empfindest.

Mögliche Methoden der Umsetzung (nicht rechtlich)

Von Unternehmen in Verantwortungseigentum wurden in Bezug auf die Gründer:innen-Kompensation bisher folgende Lösungen umgesetzt:

  • Es braucht keine Gründer:innen-Kompensation: Über das Gehalt und mögliche Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen, wenn es dem Unternehmen gut geht, und andere Schritte wie bspw. betriebliche Altersvorsorge kann genügend Sicherheit erzeugt werden, um die Bedürfnisse zu befriedigen. Tatsächlich wird diese Variante von vielen Purpose-Unternehmen umgesetzt.
  • Vergütung eingebrachter Leistung: Wenn die Leistung bereits in der Vergangenheit liegt, kann die Auszahlung eines sich passend anfühlenden Betrags zu einem festgelegten oder variablen Zeitpunkt über verschiedene Instrumente bei der Umwandlung in ein Purpose-Unternehmen rechtlich verankert werden.
  • Aufschiebung: In der Gründungssituation ist es oft schwierig, festzulegen, wie hoch die Kompensation ausfallen soll, die in der Zukunft liegt. Daher wird ein Prozess/Zeitpunkt festgelegt, zu dem die Kompensation geklärt wird. Sollte die Kompensation dann über Gewinnausschüttung (verdeckt oder nicht) geschehen, braucht es die Zustimmung der Purpose Stiftung, die dies nach den oben genannten Kriterien beurteilt.
  • Modulare Berechnung: Manche Start-ups entwickeln auch ein Modell, mit dem sie bereits bei der Gründung die Kompensation für die Zukunft berechnen können. Die tatsächliche Kompensationshöhe wird dann durch das Modell bestimmt. Die Kompensation selbst erfolgt dann erst zu einem späteren Zeitpunkt und auch das Instrument wird erst dann festgelegt. Sollte in diesem Modell ein Risikofaktor (bspw. prozentualer Risikoaufschlag auf den Gehaltsverzicht) enthalten sein, ergibt es Sinn, dass ein Gegenanreiz gesetzt wird, sodass langfristig zu reinen Gehältern gewechselt wird. Der Ansatz kann in die Satzung aufgenommen werden oder auch nicht. In jedem Fall empfiehlt es sich, dass die Purpose Stiftung oder der/die jeweilige Kontrollgesellschafterin über das Modell informiert wird und es im Rahmen des Satzungschecks mit beurteilt.

Rechtliche Umsetzung

Wie im gesamten Prozess hin zu Verantwortungseigentum sollte die rechtliche Umsetzung der Gründer:innen-Kompensation angegangen werden, sobald die Bedürfnisse an diese geklärt sind. Die Wahl des rechtlichen Instruments hängt stark davon ab, wann, wieviel, wie zu den Gründer:innen zurückfliessen soll und ist daher nicht generell zu beantworten. Grundsätzlich wissen wir jedoch, dass insbesondere schuldrechtliche Instrumente für die Umsetzung zu empfehlen sind. Dies gilt auch, da eine spätere Transformation in eine mögliche Rechtsform für Verantwortungseigentum so leichter möglich ist. Die individuelle Umsetzung sollte, besonders bei größeren Beträgen, mit einem Steuerberater und der gesellschaftsrechtlichen Begleitung entwickelt bzw. abgestimmt werden.

Zum nächsten Schritt

Herausgeber: Purpose Schweiz

Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung