Wie grenzt sich Steward-Ownership von alternativen Rechtsformen oder Modellen ab?
Verschieden Modelle und Strukturen neben dem “klassischen” Unternehmenstyp sind aktuell im Umlauf. Wie lässt sich Steward-Ownership in diesen Kontext von B Corps, Genossenschaften, Gemeinwohlökonomie und Benefit Corporations einordnen?
Abgrenzung zu anderen Modellen zukunftsfähigen Wirtschaftens
Eine Differenzierung verschiedener Ansätze
In den letzten Jahren haben sich viele Organisationen gegründet und Bewegungen geformt, die nachhaltigeres Wirtschaften, alternative Unternehmensmodelle und neue Denkansätze bieten. Diese unterscheiden sich teilweise in Motivation und Herangehensweise voneinander.
Dieses Dokument soll dir daher eine Übersicht darüber geben, inwiefern sich Steward-Ownership von anderen Rechtsformen sowie vom Ansatz der Gemeinwohlökonomie und der B Corporation differenziert, und wie die verschiedenen Ansätze kombiniert werden können. Hier findest du außerdem einen Artikel, der versucht, GWÖ, Benefit Corporation, B Corps und Verantwortungseigentum in ihren verschiedenen Ansätzen ins Verhältnis miteinander zu setzen.
Was macht Steward-Ownership aus?
Bei Steward-Ownership handelt es sich um eine Änderung der Eigentumsstruktur des Unternehmens, durch welche die beiden Prinzipien Selbstbestimmung und Vermögensbindung rechtsverbindlich verankert werden. Damit verändert sich die Beziehung von Macht und Kapital in diesen Unternehmen. Es gilt nicht mehr das Paradigma, desto mehr Kapital man einbringt, desto mehr Kontrolle hat man über das Unternehmen; stattdessen liegt die Macht (Kontrolle über das Unternehmen) bei Menschen, die mit dem Unternehmen verbunden sind und die nötigen Fähigkeiten mitbringen. Der vom Unternehmen geschöpfte Wert dient nicht mehr primär den Gesellschaftern, sondern dient dem Unternehmenszweck. Diese Verankerung ist rechtsverbindlich und gilt daher langfristig, sie kann nicht rückgängig gemacht werden.
Es wird kein Unternehmenszweck oder Purpose verbindlich festgehalten, das Unternehmen kann sich frei entwickeln und den Unternehmenszweck verfolgen, der den jeweiligen ‘Verantwortungseigentümern’ als passend erscheint. Steward-Ownership drückt damit nicht aus, ob ein Unternehmen besonders nachhaltig oder „ethisch“ agiert, sondern setzt an der rechtlichen Struktur selbst und damit der Motivation der unternehmerischen Entscheidungen an. Wie bei jeder Eigentumsform setzt Steward-Ownership folglich bei dem Handlungsrahmen des Unternehmens und den enthaltenen Anreizstrukturen an.
Steward-Ownership und Benefit Corporations
Die Benefit Corporation ist eine US-amerikanische for profit Rechtsform, die zusätzlich einen positiven Einfluss auf Gesellschaft, Mitarbeitende, Allgemeinheit und Umwelt als rechtlich definiertes Unternehmensziel hat. Die Benefit Corporation darf Gewinne an ihre Gesellschafter ausschütten. Benefit Corporations unterliegen Transparenzpflichten bezüglich ihrer ESG Performance. In manchen Bundesstaaten kann der Status einer Benefit Corporation entzogen werden; außerdem kann sich eine Benefit Corporation wieder in eine andere Corporation umwandeln.
Italien hat in Anlehnung an die US-amerikanische Form eine eigene Benefit Corporation als eigene Rechtsform eingeführt.
Im Vergleich zu Steward-Ownership setzt die Benefit Corporation darauf, die Verfolgung von über den Shareholder Value hinausgehende Zwecke, wie z.B. Gemeinwohl, als rechtlichen Unternehmenszweck zu definieren. Verantwortungseigentum setzt dagegen an einer anderen Stelle an – bei der Motivation der Eigentümer des Unternehmens durch die Veränderung der Eigentumsstruktur im Kern des Unternehmens.
Verantwortungseigentum ist ein langfristig verbindlicher Schritt, während man aus Benefit Corporations wieder herauswandeln kann.
Genossenschaft
Die Rechtsform der Genossenschaft ist auf die Förderung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse der Genossenschaftsmitglieder ausgelegt. Dies wird, neben anderen Kontroll- und Aufsichtsrechten, von einem Genossenschaftsprüfverband kontrolliert.
Nur Mitglieder einer Genossenschaft können Genossenschaftsanteile halten, dabei ist jedoch keine Verbundenheit mit der Organisation vorausgesetzt. Dies ist anders als in Steward-Ownership, wo nur Mitarbeiter:innen, Geschäftsführer:innen und mit dem Unternehmen eng verbundene Personen Verantwortungseigentümer:innen sein können. So kann es bei Genossenschaften, ähnlich wie bei klassischen Unternehmen „Absentee-Owner“ geben, die aus einer gewissen Distanz über die Geschicke des Unternehmens entscheiden. Die Mitglieder der Genossenschaft halten gemeinsam die Stimmrechte nach dem Demokratieprinzip, das heißt jedes Mitglied hat eine Stimme. Diese demokratische Stimmverteilung kann für manche Unternehmen passen, ist jedoch keine Grundvoraussetzung von Steward-Ownership.
Genossenschaftsanteile werden zum Nominalbetrag übertragen, so wird der Wertzuwachs der Genossenschaft nicht von den Mitgliedern bei Ausscheiden aus der Genossenschaft personalisiert. Allerdings ist es möglich, dass das Vermögen der Genossenschaft verkauft, und dann an die Genossenschaftsmitglieder ausgeschüttet wird. Auch Gewinne können an Mitglieder ausgeschüttet werden. Dies kann in den Statuten zwar ausgeschlossen werden, kann allerdings beispielsweise von einer späteren Generation an Genossenschaftsmitgliedern wieder rückgängig gemacht werden. Gerade bei einer großen Anzahl von Genoss:innen ist das nicht unbedingt wahrscheinlich, allerdings auch nicht ausgeschlossen. Damit ist ein Prinzip von Steward-Ownership – dass Gewinne und Unternehmensvermögen nicht personalisiert werden können, sondern dem Unternehmenszweck dienen – nicht erfüllt, die Vermögensbindung nicht rechtlich gesichert.
Während die Genossenschaft also eine sehr passende Option für manche Unternehmen sein kann, unterscheidet sie sich von Steward-Ownership in Bezug auf die beiden fundamentalen Prinzipien des Verantwortungseigentums. Aus dieser eindeutigen Unterscheidung ergibt sich aber auch die Möglichkeit, eine Genossenschaft mit den Prinzipien von Steward-Ownership zu kombinieren, also eine Genossenschaft in Steward-Ownership.
Verantwortungseigentum und B Corporations
B Corporation, auch B Corps sind Unternehmen, die mit ihrem Geschäftsmodell positiv auf die Gesellschaft und Umwelt einwirken wollen. B Corps haben den transparenten Prozess der Zertifizierung durch das gemeinnützige B Lab durchlaufen. Dafür müssen sie im B Impact Assessment die Auswirkungen des Unternehmens auf die Mitarbeiter:innen, Kund:innen, die Gemeinschaft und Umwelt überprüfen und nachweisen. Dabei spielen u.a. die Unternehmensstruktur, Stakeholder-Beziehungen, Wertschöpfungskette und Engagement des Unternehmens eine Rolle. Als B Corp zertifiziert werden Unternehmen, die in diesem Assessment nachweislich gut (ab einer Mindestpunktzahl) abgeschnitten haben. Die im B Impact Assessment gemachten Angaben sind öffentlich zugänglich und der Prozess der Zertifizierung ist transparent. Auch die Governance-Struktur und Statuten etc. werden für eine Zertifizierung angepasst, um Stakeholder einzubeziehen und den Purpose des Unternehmens sicherzustellen. Alle drei Jahre wird das Assessment und die Verifizierung wiederholt, ansonsten verliert man die B Corps Zertifizierung.
Im Vergleich zu Steward-Ownership wird durch das B Corps Modell direkt eine Aussage darüber getroffen, wie gesellschaftsdienlich das Unternehmen in Bezug auf die Unternehmensstruktur, Unternehmenszweck und Wertschöpfungskette ist, bzw. sein sollte. Dies wird verifiziert – die Zertifizierung kann aber auch wieder wegfallen, wenn das B Impact Assessment nicht ausreichend gut ausfällt. Das B Corps Modell setzt dabei, im Gegensatz zu Steward-Ownership, nicht an der Eigentumsstruktur des Unternehmens an. Ein weiterer Unterschied besteht in der Verbindlichkeit. Die B Corp Zertifizierung ist freiwillig, sodass bei veränderter Unternehmensstrategie keine Verbindlichkeit besteht.
Die unterschiedlichen Ansätze können ohne Probleme kombiniert werden. So kann jedes zertifizierte B Corp Steward-Ownership umsetzen und jedes Unternehmen in Steward-Ownership kann die B Corps Zertifizierung anstreben. Dabei kann Steward-Ownership sich positiv auf die Punkte im B Impact Assessment auswirken.
Verantwortungseigentum und Gemeinwohlökonomie
Auch die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) und das Thema Steward-Ownership lassen sich sehr gut miteinander verbinden, doch auch hierbei handelt es sich um grundsätzlich verschiedene Ansätze. Bei der GWÖ wurde ein Kriterienkatalog erarbeitet, mithilfe dessen sich Unternehmen selbst evaluieren und ihr Engagement/Aufstellung in verschiedenen Bereichen überprüfen können. Das Ergebnis ist ein Gemeinwohl-Bericht. Dieser wird von unabhängigen Auditoren überprüft und dann in Form einer Gemeinwohl-Bilanz veröffentlicht, um Transparenz zu schaffen.
Teil einer Gemeinwohlbilanz sind die folgenden Bereiche: LieferantInnen, KundInnen, EigentümerInnen, Finanzierung, Mitarbeitende und das Gesellschaftlich Umfeld. Hier findest du eine detaillierte Beschreibung der sogenannten Gemeinwohl-Matrix.
Im Vergleich zur GWÖ handelt es sich bei Steward-Ownership um eine verbindliche Änderung der Eigentumsstruktur des Unternehmens (siehe auch die Abbildung unten). Es gibt dabei keine Regeln oder Richtlinien dafür, was ein sinnvolles Unternehmen tun oder lassen sollte, lediglich werden durch die Eigentumsstruktur die beiden Prinzipien sichergestellt. Wie auch bei B Corp ist der Hebel für Veränderung die freiwillige Zertifizierung. Diese beschränkt sich nicht auf Eigentum, sondern bindet es als eines von vielen Themen in die Bilanzierung mit ein.
Der Hebel für Veränderung liegt in der Bemessung des Outputs, wie gut das Unternehmen in den verschiedenen Kategorien abschneidet, und dessen Bemessung und Ranking. Im Gegensatz dazu setzt Steward-Ownership bei den Strukturen an (Input), die vermeintlich zu besseren Unternehmensergebnissen, eingebunden in der Gesellschaft, führen.
Die Beschreibung zeigt, dass sich die beiden Ansätze, so unterschiedlich sie eben doch sind, gut miteinander kombinieren lassen bzw. sich ergänzen können. Daher gibt es zahlreiche Unternehmen in Steward-Ownership die ebenso GWÖ-zertifiziert sind.
Weiterführende Informationen
Artikel
Herausgeber: Purpose Schweiz
Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung