Wie kann Steward Ownership rechtlich umgesetzt werden und wieso ist die rechtliche Verankerung sinnvoll?
Rechtliche Umsetzung von Steward-Ownership
Steward-Ownership lässt sich mit Hilfe verschiedener Rechtsformen und Eigentumsstrukturen umsetzen. Alle haben jedoch gemeinsam, dass die beiden Prinzipien von Steward-Ownership rechtlich verbindlich sichergestellt werden:
(1) Das „Steuerrad”, die Mehrheit der Kontrollrechte des Unternehmens, liegt in den Händen von Menschen, die direkt mit dem Unternehmen verbunden sind;
(2) Gewinne werden als Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck angesehen. Diese Grundsätze ermöglichen, ein Unternehmen von einer Generation verlässlicher Treuhandeigentümer:innen an die nächste weiterzugeben und garantieren die Fokussierung auf einen sich weiterentwickelnden Unternehmenssinn, statt Gewinnmaximierung.
Häufig wird die rechtliche Umsetzung von Steward-Ownership durch eine Trennung und Neuverteilung der Stimm- und Gewinnrechte des Unternehmens realisiert; die Eigentumsrechte werden dabei nicht mehr als Bündel von Rechten behandelt, sondern separat verteilt. Um Steward-Ownership umzusetzen, können unterschiedliche Rechtsformen und Rechtskonstrukte verwendet werden. Dafür werden oft bestehende Rechtsformen miteinander kombiniert oder modifiziert.
Warum überhaupt rechtlich verankern?
Nun könnten die Prinzipien von Steward-Ownership innerhalb eines Unternehmens auch ohne rechtliche Verankerung gelebt werden, wie es bereits viele Unternehmen tun. Die Unternehmer:innen sehen sich als Treuhänder:innen des Unternehmens und wollen langfristig unabhängig und werte-orientiert bleiben. Warum sollte man diese Prinzipien also überhaupt noch in die Rechtsstruktur einbetten, wenn man sie auch so leben kann?
Für viele Unternehmer:innen ist ein Hauptgrund für die rechtliche Umsetzung der Prinzipien von Steward-Ownership das Erzeugen von Kohärenz zwischen dem, was im Unternehmen gelebt und erzählt wird, und der rechtlichen Realität. Für viele fühlt es sich nicht passend an, wenn das Unternehmen faktisch ein Vermögensgegenstand der Eigentümer:innen ist, sie aber gleichzeitig leben und kommunizieren, dass das Unternehmen vor allem der Aufgabe dient.
Ein weiterer Grund ist, dass die rechtliche Struktur eines Unternehmens mittel- bis langfristig direkte Auswirkungen auf die Unternehmenskultur hat. Die rechtliche Struktur bestimmt massgeblich die Verteilung von Rechten und Pflichten zwischen den beteiligten Parteien und bestimmt, wer Kontrolle über das Unternehmen hat. Damit legt der Rechtsrahmen die Handlungsspielräume des Entscheidungsträger:innen fest und setzt Anreize für Entscheidungen und Handlungen. Diese Anreize entfalten eine lenkende Wirkung auf die Geschäftsführung und prägen so die gelebte Unternehmenskultur.
Auch die generationenübergreifende Sicherheit von Steward-Ownership hängt an der rechtlichen Struktur. Während man die Prinzipien auch ohne rechtliche Umsetzung leben kann, hängt es immer von den Menschen im Unternehmen ab, ob sie weiterhin gelten sollen. Aber wenn die Prinzipien von Steward-Ownership langfristig rechtlich verbindlich in der Eigentumsstruktur verankert sind, gelten sie auch für die zukünftigen Generationen an Unternehmer:innen – das ist sonst nicht langfristig gewährleistet.
Darüber hinaus gilt: Wenn ein:e Unternehmer:in heute allen Stakeholder verbindlich versprechen möchte, dass die Werte der Selbstbestimmung und Vermögensbindung über das gesprochene Wort hinaus abgesichert, verbindlich sind, dann muss dafür die DNA, die Eigentumsstruktur, angepasst werden.
Verschiedene Rechtsstrukturen zur Umsetzung von Steward-Ownership
Steward-Ownership lässt sich mit Hilfe verschiedener Rechtsformen und Eigentumsstrukturen umsetzen. Welche Struktur ein Unternehmen wählt, hängt von Faktoren wie dem Rechtsrahmen, der Unternehmensgröße, dem Unternehmenstyp, den Bedürfnissen der Gesellschafter:innen bezüglich Verteilung der Gewinn- und Stimmrechte, Verwendung der Gewinne, Einbeziehung der Stakeholder und der gewünschten Flexibilität ab.
In Deutschland und der Schweiz sind momentan die bekannten Umsetzungsformen das Doppel- und Einzelstiftungsmodell sowie das Veto-Anteil-Modell, was für kleinere und mittlere Unternehmen eine passende Lösung bieten kann.
Das Einzelstiftungsmodell
Beim Einzelstiftungsmodell gehört ein Unternehmen mehrheitlich einer sich selbst verwaltenden, meist gemeinnützigen Stiftung, die keine Gewinne an private Personen ausschüttet. Die Stiftungsratsmitglieder können Leiter:innen des Unternehmens sein oder Funktionen ähnlich wie die von Verwaltungsrät:innen einnehmen. Die Stiftungen setzen sich hier oft aus zwei Gremien zusammen: Ein Gremium übt primär die Kontrolle über die Stimmrechte aus, das Andere ist für die Verteilung von Gewinnen für gemeinnützige Zwecke verantwortlich. Diese Aufsplittung verhindert einen Konflikt zwischen gemeinnützigen und geschäftlichen Interessen des Unternehmens und sichert neben der Ausführung gemeinnütziger Tätigkeiten den unternehmerischen Zweck und Erhalt des Unternehmens.
Das Doppelstiftungsmodell
Das Doppelstiftungsmodell stellt genau wie die anderen Strukturen sicher, dass ein Unternehmen unabhängig bleiben kann und von Menschen geführt wird, die vor allem vom Unternehmenszweck motiviert und geleitet werden. Die Eigentümerstruktur sieht eine strikte Trennung von Stimm- und Gewinnbezugsrechten vor, indem sie die Anteile zwei separaten Rechtstragenden zuweist: Die Anteile mit Dividendenrechten werden meist einer (gemeinnützigen) Stiftung oder einem Verein gespendet oder verkauft, während die andere Kategorie von Anteilen mit Stimmrechten, aber ohne Gewinnrechte von Treuhandeigentümer:innen gehalten wird, z.B. mit Hilfe einer Stiftung (Elobau), eines Vereins (Mahle) oder einer KG (Bosch). Treuhandeigentümer:in kann jede Person sein, die mit dem Unternehmen verbunden ist, z.B. aktuelle Geschäftsführende, ehemalige Geschäftsführende oder auch erfahrene, unabhängige Gesellschafter:innen.
Zur Umsetzung des Doppelstiftungsmodells werden mindestens zwei Anteilsklassen in den Statuten geschaffen: einerseits Geschäftsanteile mit Stimmrechten, aber ohne Dividendenrechte („Treuhandanteile“), andererseits Anteile mit Dividendenrechten ohne Stimmrechte. Jede der Anteilsklassen wird in einem dafür geschaffenen Rechtsträger gehalten.
Das Veto-Anteil-Modell
Im Veto-Anteil-Modell sind die Prinzipien von Steward-Ownership rechtlich verbindlich gesichert, in dem sie in den Statuten des operativen Unternehmens mit Einstimmigkeit festgelegt werden und verschiedene Kategorien von Anteilen mit getrennten Stimm- und Gewinnrechten geschaffen werden. Entsprechende, die Prinzipien von Steward-Ownership betreffende, Passagen der Statuten können nur mit Zustimmung des Veto-Anteil-Halters / der Veto-Anteil-Halterin (Kontrollgesellschafter:in) geändert werden.
Neben den hier aufgezeigten Strukturierungsmöglichkeiten können selbstverständlich weitere/andere passende Wege für das jeweilige Bedürfnis des Unternehmens entwickelt und umgesetzt werden.
→ Einen Deep-Dive zum Veto-Anteil-Modell gibt es hier.
→ Warum die Stiftungslösungen aus unserer Sicht nicht ideal für die Umsetzung von Verantwortungseigentum für kleine und mittelständische Unternehmen sind, findet ihr hier.
Rechtsform des Unternehmens
Die operative Entität des Unternehmens, das über die Eigentumsstruktur in Verantwortungseigentum aufgestellt ist, kann unterschiedliche Rechtsformen nutzen. Grundsätzlich ist es wichtig zu verstehen, dass Steward-Ownership keine eigene Rechtsform ist. Die Wahl der passenden Rechtsform ist daher nahezu unabhängig von Steward-Ownership, grundsätzlich ist jede Form der Kapitalgesellschaft möglich. Häufig wird eine GmbH, AG oder Genossenschaft verwendet.
Dokumente
- Einen Deep-Dive zum Veto-Anteil-Modell gibt es hier.
- Warum die Stiftungslösungen aus unserer Sicht nicht ideal für die Umsetzung von Steward-Ownership für kleine und mittelständische Unternehmen sind, findest du hier.
Herausgeber: Purpose Schweiz
Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung