Finanzierung und Steward Ownership

Finanzierung und Steward Ownership

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Leitfrage

Was sind die Besonderheiten einer Finanzierung von Unternehmen in Verantwortungseigentum? Wieso passt konventionelle Eigenkapitalfinanzierung nicht für Steward Ownership?

Finanzierung von Unternehmen in Verantwortungseigentum

Summary

Verschiedene Wege ermöglichen es Unternehmen in Verantwortungseigentum, Liquidität an Investor:innen auszuschütten, ohne die Unabhängigkeit und Sinnorientierung des Unternehmens in Frage zu stellen. Im Gegensatz zu konventionellen Wegen der Liquiditätsbeschaffung erfordern viele dieser Methoden längere Investitionszeiträume. Immer mehr Investor:innen erkennen die Bedeutung von „geduldigem Kapital“ für die langfristige Wertschöpfung und Wirkung eines Unternehmens und sind deshalb bereit, ihr Kapital länger zu binden.

Wieso konventionelle Eigenkapitalfinanzierung für Verantwortungseigentum nicht passt

Wie alle Unternehmen erreichen auch Unternehmen in Verantwortungseigentum Entwicklungsphasen, in denen sie Kapital brauchen, um zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Die Eigentümer:innen eines Unternehmens in Verantwortungseigentum benötigen dafür Instrumente, die für sie passend sind und auf die speziellen Bedürfnisse von Verantwortungseigentum eingehen. Dabei ist die konventionelle Eigenkapitalfinanzierung selten für Unternehmen in Verantwortungseigentum geeignet.

Zunächst betrachten wir die Situation von Start-ups: Das Venture-Capital-Ökosystem und dessen Finanzierungsinstrumente funktionieren nach dem Prinzip, große Mengen von Kapital in das Wachstum eines Start-ups zu investieren, um einen möglichst großen Marktanteil zu sichern. Im besten Fall erfolgt dann nach einigen Jahren ein gewinnbringender Exit oder Börsengang. Aufgrund der hohen Ausfallquote im Start-up-Bereich sind die Investor:innen darauf angewiesen, dass erfolgreiche Investments mindestens das Zehnfache des eingesetzten Kapitals als Gewinn einbringen. Zudem sichern die Verträge, die bei solchen Investments abgeschlossen werden, den Investor:innen meistens weitreichende Minderheitsrechte zu. Ein Beispiel dafür ist die Mitverkaufspflicht. Diese gibt Investor:innen, die Anteile verkaufen wollen, das Recht, andere Investor:innen und die Gründer:innen zu zwingen, ihre Geschäftsanteile an die Meistbietenden mit zu veräußern. Dass solche Rechte die sozialen oder umweltbezogenen Ziele des Unternehmens gefährden, ist offensichtlich. Für viele Investor:innen ist dies leider zweitrangig. Das Venture-Capital-System gewichtet die finanziellen Interessen der Fonds stärker als die Ziele der Gründer:innen.

Für Unternehmen, die langfristig auf Nachhaltigkeit setzen und allen Stakeholdern gerecht werden wollen, sind diese eigenkapitalbasierten Risikofinanzierungen oft unpassend. Reifere Unternehmen stehen ebenfalls vor einer Herausforderung: Wenn sie sich für Verantwortungseigentum entscheiden, benötigen sie oft Kapital, um Investor:innen oder gegebenenfalls Mitgründer:innen, die diesen Weg nicht mitgehen möchten, auszubezahlen. Verantwortungseigentum ist eine gute Lösung für die ausserfamiliäre Nachfolge und eine Alternative zum Verkauf an einen Private-Equity-Fonds. Da Private-Equity-Firmen ihr Geld meist damit verdienen, Kosten zu senken, die Profitabilität zu erhöhen und das Unternehmen dann zu einem höheren Preis weiterzuverkaufen, ist es für ein Unternehmen sehr schwierig, unter solchen Umständen seinen Werten treu zu bleiben. An der Börse haben Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen: Das Unternehmen muss jedes Quartal bessere Zahlen liefern, und aktivistische Aktionär:innen verlangen, wie jüngst in den Schlagzeilen über die Firmen Nestlé und Thyssen zu lesen war, dass das Unternehmen kurzfristige Gewinne über seine langfristigen Ziele stellt. Bei einem Exit oder einem konventionellen Börsengang kann man deshalb davon ausgehen, dass das Unternehmen in Zukunft dazu gezwungen sein wird, den Shareholder Value über die eigenen Ziele und die Interessen anderer Stakeholder zu stellen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die konventionelle Eigenkapitalfinanzierung selten für sinnorientierte Unternehmen geeignet sind:

  • Überhöhte Renditeerwartungen führen zu unrealistischen Wachstumszielen, sodass tragfähige Geschäftsmodelle, die auf langsameres Wachstum setzen, keine Finanzierung finden.
  • Eigenkapitalfinanzierung wird oft so ausgestaltet, dass Investor:innen möglichst viel Kontrolle über das Unternehmen ausüben können.
  • Der Verkauf von Anteilen als Private-Equity-Investment oder am Aktienmarkt führt zum Verlust der Unabhängigkeit des Unternehmens und zwingt es meist, den Shareholder Value über die eigentlichen Unternehmensziele zu stellen.

Es wird deutlich: Konventionelle eigenkapitalbasierte Finanzierungsstrukturen widersprechen den Prinzipien von Verantwortungseigentum oft und gefährden die Unabhängigkeit von Unternehmen sowie jegliche Strategie, die nicht primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist.

Das Problem wird durch die Tatsache verschärft, dass selbst Impact-Investor:innen – eine neue Klasse von sinngetriebenen Investor:innen – bei der Finanzierung von Unternehmen oft auf diese herkömmlichen Finanzierungsmodelle zurückgreifen. Impact-Investor:innen teilen in der Regel die sozialen und umweltbezogenen Ziele von wertegetriebenen Unternehmen. Sie sind sich allerdings häufig über die Anforderungen dieser Ziele an die Finanzierungsstruktur des Unternehmens nicht im Klaren. Deshalb erwarten sie ähnliche Renditen, Investitionsbedingungen und Zeithorizonte wie konventionelle Investor:innen.

Es existieren jedoch gute Alternativen zu der beschriebenen Unternehmensfinanzierung, die von einer wachsenden Zahl an Investor:innen und Unternehmer:innen eingesetzt werden. Im Folgenden werden verschiedene Finanzierungsoptionen vorgestellt, die sich für Unternehmen in Verantwortungseigentum anbieten → Finanzierungsinstrumente für Steward Ownership

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Herausgeber: Purpose Schweiz

Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung