Wie lässt sich auch in Unternehmen in Steward-Ownership die Absicherung der Gründer:innen und Mitarbeiter:innen sicherstellen?
Neben dem Umfang einer Gründer:innen-Kompensation oder der Beteiligung von frühen Mitarbeitenden ist auch die Art der Umsetzung etwas anders als in “herkömmlichen” Unternehmen. Eine Übersicht über gängige Mittel findest du in folgendem Dokument.
Finanzielle Absicherung für Unternehmer:innen im Rahmen von Steward-Ownership
Summary
Auch für Unternehmen in Steward-Ownership gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, Gründer:innen und anderen frühen Mitarbeitenden eine gewisse finanzielle Sicherheit oder Altersabsicherung zu versprechen. Sowohl schuldrechtlich als auch dingrechtliche Instrumente können gewählt und flexibel ausgestaltet werden. Nicht zuletzt für den rechtlichen Übergang zu einer möglichen neuen Rechtsform sind schuldrechtliche Lösung jedoch bevorzugt zu prüfen.
Wie bei allen anderen Unternehmen auch sind die Gründer:innen der Unternehmen in Steward-Ownership häufig darauf angewiesen, irgendwann ihre monetären oder zeitlichen Investitionen in Liquidität umzuwandeln bzw. für das Eingehen des Risikos sowie den Gehaltsverzicht und die Anstrengung der Gründungsphase monetären Freiraum für die Zukunft zu erhalten. Der konventionelle Weg, den viele Gründer:innen heutzutage noch wählen, besteht darin, ihre Anteile gewinnbringend durch einen Exit oder IPO zu verkaufen.
Da Unternehmen in Steward-Ownership keinen Exit anstreben – zumindest nicht im üblichen Sinne – braucht es Alternativen, um den Gründer:innen oder frühen Mitarbeitenden solcher Unternehmen eine finanzielle Absicherung zu ermöglichen. Im Folgenden sollen mehrere solcher Lösungen vorgestellt werden.
Im Folgenden werden verschiedene Optionen für die Gründer:innen-kompensation vorgestellt. Die Wahl des rechtlichen Instruments hängt stark davon ab, wann, wieviel, wie zu den Gründer:innen zurückfliessen soll und ist daher nicht generell zu beantworten. Grundsätzlich wissen wir jedoch, dass insbesondere schuldrechtliche Instrumente für die Umsetzung zu empfehlen sind. Die individuelle Umsetzung sollte, besonders bei größeren Beträgen, mit einem/einer Steuerberater:in und der gesellschaftsrechtlichen Begleitung entwickelt bzw. abgestimmt werden.
Schuldrechtliche Lösungen
Virtual Shares
Neben tatsächlichen Unternehmensanteilen bieten sich vor allen Dingen Virtual Shares an. Die Ausgestaltung der virtuellen Anteile können denen von tatsächlichen Unternehmensanteilen sehr nahe kommen und werden häufig für Mitarbeiter:innen-Beteiligungen genutzt. Bei klassischen Unternehmen werden die virtuellen Anteile zumeist so gestaltet, dass sie bei einem Exit einen Anteil am Verkaufserlös erhalten. Für Purpose-Unternehmen können die Anteile so gestaltet werden, dass die Gründer:innen-Kompensation auch ohne eine Wandlung in tatsächliche Anteile erfolgen kann sowie ohne einen Exit im klassischen Sinne. Unserer Erfahrung nach sind Virtual Shares bei Unternehmen in Steward-Ownership tatsächlichen Unternehmensanteilen vorzuziehen, da diese schuldrechtlicher Natur sind und daher simpler, kostengünstiger und individueller umgesetzt werden können. Virtual Stock Options, auch Virtual Shares genannt, sind schuldrechtliche Vereinbarungen. Aus diesem Grund reduzieren sich die juristischen und bürokratischen Aspekte bei dieser Form der Mitarbeiter:innen-Beteiligung. Im Gegensatz zu einer realen Beteiligung am Unternehmen an sich, gibt es auch weniger Informationspflichten und keine Mitspracherechte. Bei der Vertragsgestaltung bestehen vergleichsweise viele Freiräume.
Letztlich bieten sich Virtual Shares insbesondere dadurch an, dass sie recht einfach umzusetzen sind und viel Spielraum in der Vertragsgestaltung lassen.
Typische stille Gesellschafter mit Rückkaufsrecht
Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass nur zwei Anteilsklassen geschaffen werden und die oben dargestellte Struktur parallel zu einer stillen Beteiligung umgesetzt wird. Das spart Notarkosten und gibt Gestaltungsspielräume. Die Struktur sähe dann wie folgt aus: A-Anteile für die Stewards und B-Anteile für die Veto-Anteil-Stiftung. Die Gründer:innen (und evtl. die Mitarbeitenden) können sich beim Unternehmen als stille Gesellschafter:innen beteiligen - wenn das Unternehmen jung ist zu günstigen Konditionen, z.B. durch teilweises Umwandeln von Gehalt. Diese stille Beteiligung kann dann analog zu dem obigen Fall mit einem Rückkaufsrecht ausgestattet sein, sodass die Firma sie zu einem Vielfachen zurück kaufen muss, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (z.B., dass die Firma eine gewisse Grösse erreicht hat und die Person ausscheidet). Sie kann auch eine Gewinnbeteiligung (und Verlustbeteiligung) sowie einen Festzins beinhalten, beide erst zahlbar mit Kündigung, würde über einen längeren Zeitraum laufen und auch eine Art Rückkaufsrecht (Kündigung mit Abfindung) zu einem bestimmten Betrag beinhalten.
- Die stille Beteiligung kann auch nach dem Ausscheiden weiterlaufen und so eine Art Altersvorsorge darstellen.
- In der Regel wird noch vereinbart, dass das Rückkaufsrecht nur unter bestimmten Bedingungen ausgeübt werden kann, um zu vermeiden, dass das Unternehmen durch den Rückkauf illiquide wird.
Instrumente wie die stille Beteiligung, Genussrechte (ähnlich) oder auch D-Anteile können auch mit einer Mitarbeitenden-Pool Gesellschaft (einfache Gesellschaft, ggf. Verein) umgesetzt werden: dann werden diese Beteiligungen nicht direkt von Personen gehalten, sondern liegen in einer einfachen Gesellschaft, an der wiederum Mitarbeitende für eine gewisse Zeit beteiligt sind und ausscheiden müssen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Klassische betriebliche Altersvorsorge und Pensionsrückstellungen
Wie jede andere Firma auch, darf ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden oder Gründer:innen Pensions-Versprechen geben. Beispielsweise, dass bis zum Lebensende eine bestimmte Rente gezahlt wird, die sich nach Zugehörigkeitsdauer erhöht. Dieses betriebliche Altersvorsorge-Versprechen berechtigt das Unternehmen Rückstellungen zu bilden, die sich Gewinn- aber nicht Liquiditäts-mindernd auswirken. Die Rentenansprüche werden für die Empfänger:innen dann natürlich erst bei Auszahlung versteuert. Wenn eine Person, mit solchen betrieblichen Versorgungszusagen, das Unternehmen verlässt oder ein bestimmtes Alter erreicht, kann sie mit dem Betrieb eine Abfindungssumme verhandeln, und statt einer lebenslangen Rente auch eine oder mehrere größere Einmalzahlungen bekommen. Das Unternehmen muss für die Rückstellungen keine Liquidität vorhalten, sondern kann das Geld ganz normal im Unternehmen lassen. Wenn jedoch gewünscht ist die betriebliche Rente etwas zu „sichern“ und von dem Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens unabhängig zu machen, können alle oder Teile der Rückstellungen auch ausserhalb des Unternehmens investiert werden - in Fonds, Finanzprodukte oder andere Unternehmen. Es können auch Versicherungen abgeschlossen werden, die sicherstellen, dass die Rente - egal wie das Unternehmen sich entwickelt - gezahlt werden kann. Die vom Unternehmen gekauften Finanzprodukte/Versicherungen können dann an die Pensions-Halter:innen/Mitarbeitenden verpfändet werden, sodass selbst im Insolvenzfall des Unternehmens, diese Anlagen und damit die Pension erhalten bleibt. Ein vertiefender Blick auf die betriebliche Altersvorsorge ist hier zu finden.
Altersvorsorge über einen „Community Pool“ mit Risikoteilung
Die oben beschriebene Lösung der Altersvorsorge über betriebliche Renten soll in Bälde auch über einen Purpose-Community-Pool abgewickelt werden können. Die Unternehmen sollen in diesem Fall die Rückstellungen, statt sie bei Blackrock anzulegen, in Gänze an eine Purpose-Pool-GmbH leihen, wo die Rückstellungen mehrerer Unternehmen, die sich selbst gegenseitig ausgewählt haben, gepoolt werden. Dann gibt diese Pool-GmbH wiederum Darlehen an alle Unternehmen in genau der Höhe, in der sie Rückstellungen an die Pool-GmbH geliehen haben. Ergebnis: keine Auswirkung auf Liquidität der Unternehmen aber ein Risiko-Pooling. Die Ansprüche des Unternehmens gegenüber der Pool-GmbH (Darlehensrückzahlung) kann dann an Mitarbeitende verpfändet werden, und damit über Insolvenz eines Unternehmens gerettet werden. Die Initiative für die Lösung kommt von bestehen Purpose-Unternehmen und wird von ihnen betrieben. Das Ziel ist es, das Geld von sich selbst gehörenden Unternehmen weiter sich selbst gehörenden Unternehmen dienen und nicht in Fonds liegen.
Grundeinkommen
Eine andere Lösung ist, dass die Gründer:innen auch nach ausscheiden in einem offiziellen Anstellungsverhältnis im Unternehmen bleiben und für ihre weitere Berater:innen-Tätigkeit eine Art Grundeinkommen über einen vereinbarten Zeitraum erhalten. Da es um einen Lohn geht, werden diese Leistungen auch entsprechend besteuert. Wichtig ist hier, dass sich der:die Unternehmer:in auch nach dem Ausscheiden vom Unternehmen nicht gänzlich trennen darf, damit die Fortzahlung des Lohns gerechtfertigt werden kann (z.B. der Unternehmer, die Unternehmerin kann das Unternehmen beratend unterstützen). Bei Streit kann aber eine Abfindungssumme vereinbart werden.
Ergebnisoffene Prozessvereinbarung
Die Vereinbarung zwischen den Gründer:innen und dem Unternehmen kann auch offener gestaltet werden: es werden keine festen Zahlungen vereinbart, sondern eine Absprache zu einem Prozess getroffen, der sicherstellt, dass in der Zukunft, wenn der:die Gründer:in ausscheidet und finanzielle Absicherung für die Rentenzeit braucht, eine gute, faire Lösung seitens des Unternehmens und des Gründers bzw. der Gründerin angestrebt wird. Die Gründer:innen können z.B. bevor sie die Stimmrechte übergeben sicherstellen, dass die neuen Stewards ihnen eine Abfindung/Einmalzahlungen/Pension zahlen. Diese Lösung ist am flexibelsten was die Ausgestaltung der Summe betrifft - je nach Unternehmensgröße kann dies dann stark variieren und wird erst in dem Moment entschieden, wenn wirklich ein Ausscheiden ansteht. Andererseits gibt sie Gründer:innen oder Mitarbeiter:innen weniger handfeste Optionen und Sicherheit.
Dingrechtliche Lösungen
Rückkaufbare Gründer:innen-Anteile und „Early-Employee-Compensation“ Anteile
Eine Möglichkeit, der beschriebenen Herausforderung zu begegnen, ist die Ausgabe von speziellen „Kompensations-Anteilen“. Während das Unternehmen noch jung ist, können die Gründer:innen oder Mitarbeitende diese Anteile umsonst oder sehr günstig bekommen, dann halten und wenn bestimmte Bedingungen eintreten (z.B. sie aus dem Unternehmen ausscheiden, oder 65 Jahre alt werden oder anderes) muss das Unternehmen diese Anteile ganz oder stückweise zurückkaufen. Der Rückkaufpreis kann entweder schon vorher festgelegt werden, sodass eine bestimmte „Pensions-Summe“ sichergestellt wird, oder er kann sich an der Performance der Firma orientieren. In jedem Fall sollte er aber nach oben hin gedeckelt und nicht einfach der „Marktwert“ des Unternehmens sein: Einerseits damit das Unternehmen bei großem Erfolg nicht enormen Verpflichtungen gegenübersteht, andererseits um sicherzustellen, dass für alle Stakeholder klar bleibt, dass es eine Kompensation ist, und keine Lotterie.
Konkret sähe die Struktur einer GmbH/Limited/Inc in Verantwortungseigentum mit dieser Lösung wie folgt aus: Es gäbe eine Aufteilung des Stammkapitals in mehrere Anteilsklassen mit verschiedenen Rechten im Rahmen des Veto-Share-Modells, wie z.B. bei Sharetribe (Finnland) und Ziel (USA):
- Die A-Anteile stellen Stimm- aber keine Gewinnbezugsrechte dar und dürfen nur von im Unternehmen aktiven Personen gehalten werden. Für den Fall, dass solche Stewards das Unternehmen verlassen, müssen die A-Anteile ans Unternehmen zurückgegeben oder an neue Teammitglieder weitergegeben werden. Es ist möglich, das Modell so zu gestalten, dass nicht nur die Gründer:innen, sondern auch die Mitarbeitenden die A-Anteile erhalten können und somit in die Entscheidungsprozesse im Unternehmen auf unternehmerische Art einbezogen werden.
- Die B-Anteile werden von einer Veto-Anteil-Stiftung gehalten, welche durch das Ausüben des Veto-Rechts sicherstellt, dass die Prinzipien des Verantwortungseigentums eingehalten werden. Diese Anteile haben kein Gewinnbezugsrecht und nur 1% der normalen Stimmrechte.
- Die D-Anteile (oder auch Gründer:innen-Anteile) werden von Gründer:innen und eventuell frühen Mitarbeitenden gehalten. Sie haben kein Stimmrecht, jedoch Rückkaufsrechte, d.h. die D-Anteile werden vom Unternehmen zu einem vorher bestimmten Wert (z.B. das X-fache des ursprünglichen Investments oder ein auf andere Weise flexibel zu ermittelnder Wert) zurückgekauft und repräsentieren eine Vergütung für den Gehaltsverzicht und das Risiko in den Gründungsjahren. Der Rückkaufpreis wird nach oben klar gedeckelt.
Herausgeber: Purpose Schweiz
Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung