Felchlin

Felchlin

Type
Portrait Company alternative ownership
Country
Schweiz
Summary

Felchlin ist ein Familienunternehmen, das hochwertige Schokolade herstellt und weltweit beliefert. Im Rahmen einer Nachfolgelösung, wurde die Mehrheit der Stimmrechtsaktien an einen eigens dafür gegründeten Verein übergeben. Die Struktur des Unternehmens trennt Kapital von unternehmerischer Macht, wobei Überschneidungen in Minderheitsverhältnissen zugelassen sind. Die Eigentumsstruktur von Felchlin liegt in der Nähe des Verantwortungseigentums, ist aber nicht rechtlich verbindlich verankert.

Client Segment
KMU Nachfolge
Legal form
AGVerein
Steward owned since
1992
Purpose Stiftung
Begleitet durch Purpose

Felchlin – bodenständiger Nischenplayer mit Weltformat

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«Die Personen, die in der unternehmerischen Verantwortung stehen, sollen auch entscheiden können. Und die, die gemeinsam in Verantwortung stehen, müssen ein gutes Team sein.» - Christian Aschwanden, CEO Felchlin von 1992-2023

Felchlin ist Teil des Ursprungs der Schweizer Schokoladen-Qualitätskultur. Das Familienunternehmen Felchlin hat im Rahmen einer Nachfolgelösung seine Eigentumstruktur verändert und ähnlich den Prinzipien von Steward-Ownership (dt. Verantwortungseigentum) ausgestaltet. Der Inhaber in zweiter Generation, Max Felchlin, übergab 1992 die Stimmrechtsmehrheit des Unternehmens in einen eigens dafür gegründeten Verein.

Felchlin steht seit über einem Jahrhundert für hochqualitative Schokolade. Das Unternehmen mit rund 180 Mitarbeitenden entwickelte sich zur führenden Nischenproduzentin im Bereich edler Grand Cru Couverturen (Edelkakao aus definierter Herkunft), Diese stellt sie in ihrem Betrieb in Schwyz her und beliefert weltweit führende Confiserien, Hotels, Restaurants und Chocolatiers.

Motivation für eine unabhängige Nachfolgeregelung

Max Felchlin Junior übernahm das Unternehmen 1962 von seinem Vater, der das Unternehmen gegründet und bis zu seinem Tod für 54 Jahre geführt hatte. Unter ihm wuchs der erfolgreiche Betrieb aus dem Herzen der Schweiz weiter und erschloss neue Märkte in den USA und Japan. Bekannt als bunter Vogel, Kulturliebhaber und Neudenker schreckte er vor Unkonventionellem nicht zurück. So überrascht auch die eigenwillige Nachfolgelösung nicht. Eine Nachfolge durch die beiden Söhne hatte sich nicht ergeben. Dennoch wollte er sicherstellen, dass sie vom Erfolg des Familienunternehmens weiterhin profitieren würden. Max Felchlin wollte die Unabhängigkeit des Unternehmens und dessen Philosophie bewahren. Zusätzlich wünschte er sich eine von seiner Familie weitgehend unabhängige Regelung, bei der Macht und Kapital getrennt sind.

Umsetzung Steward-Ownership durch disquotale Aktienverteilung

Während Max Felchlin Junior das Unternehmen führte, vereinte er alle höchsten Posten der Max Felchlin AG in seiner Person: Er war sowohl (1) Eigentümer, (2) Verwaltungsratspräsident, als auch (3) CEO, und pflegte zu sagen, dass er eine Generalversammlung auch vor dem Rasierspiegel abhalten könne. In der Regelung seiner Nachfolge trennt er nun nicht nur diese Rollen auf, sondern schafft darin noch weitere Nuancen.

Er gründete 1992 den «Verein zur Förderung der Wirtschaft und des Kulturschaffens» und übergab dem Verein mittels einer disquotalen Aktienverteilung die Mehrheit der Stimmrechtsaktien der Max Felchlin AG. Die übrigen Aktien gingen an seine beiden Söhne. Seither ist der Verein Haupteigentümer des Unternehmens.

Max Felchlin setzte das Vereinsgremium persönlich zusammen und fortan soll sich dieses demokratisch selbst konstituieren. Ein oder zwei Mitglieder stammen aus der Familie Felchlin. Drei Mitglieder sind eng befreundete Personen. Diese sollen frei von finanziellen Interessen die Werte von Max Felchlin teilen und die Unabhängigkeit der Firma bewahren. Ein weiteres Mitglied ist das Verwaltungspräsidium der Max Felchlin AG. So ist sowohl der Minderheitseinsitz der Familie garantiert als auch Schnittstellen in die strategische und operative Unternehmensführung auf Eigentumsebene abgedeckt.

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Die Vereinslösung wählte Max Felchlin, da er das Unternehmen nicht in eine Stiftung überführen wollte, deren Ausgestaltung er als zu starr empfand. Er wollte sich die Flexibilität offen halten, am Konstrukt bei Bedarf auch wieder etwas ändern zu können.

Für die zweite Führungsposition, die Max Felchlin zuvor innehielt, wählte er Heini Brugger als neuen Verwaltungsratspräsidenten. Als seinen Nachfolger in der Geschäftsführung setzte er Christian Aschwanden ein, der bis zum Sommer 2023 für 30 Jahre CEO der Max Felchlin AG bleibt und auch im Verwaltungsrat sitzt.

Unter der Leitung von Christian Aschwanden entwickelte sich die Unternehmenskultur vom familiär-patriarchalisch geführten zum familiär-teamorientierten Betrieb. Nach den ersten herausfordernden Jahren hatte man sich eingespielt und der Erfolg kehrte wieder ein. Daraufhin wurde im Verwaltungsrat beschlossen, dass auch die Mitarbeitenden am Erfolg des Unternehmens teilhaben sollen. Erwirtschaftete Ertragsüberschüsse werden seit anhin zu je einem Drittel in das Unternehmen zurück investiert, an die Mitarbeitenden ausbezahlt und als Dividenden ausgeschüttet.

Beständigkeit als Beziehungsvorteil

Die Positionierung und deren Verankerung als unabhängiges Familienunternehmen stiftet Vertrauen und ist wichtig in den Beziehungen mit Kund:innen, Partner:innen und Mitarbeiter:innen. Die ausgestrahlte Beständigkeit ermöglicht eine andere Qualität in ihrer längerfristigen Orientierung, da keine Möglichkeit besteht, dass sich durch eine Übernahme oder einen Führungswechsel von heute auf morgen alles ändert. Diese Attraktivität als Firma und Arbeitgeber widerspiegelt sich auch in der Loyalität und sehr tiefen Fluktuation der Mitarbeitenden, einer hohen Anzahl gut qualifizierter Blindbewerbungen und nicht zuletzt in der herzlichen, bodenständigen und werteorientierten Unternehmenskultur.

Wie steht die Felchlin-Struktur zu den Prinzipien von Steward-Ownership?

Steward-Ownership als Eigentumsstruktur von Unternehmen ist durch zwei Prinzipien der Selbstbestimmung und Vermögensbindung geleitet, die rechtlich verbindlich verankert werden.

Der Gedanke dahinter: Ein Unternehmen soll sich selbst gehören. Wer es lenkt, kann also weder Wertsteigerungen aus dem Unternehmen rausziehen noch das Unternehmen eines Tages für viel Geld in Teilen oder ganz verkaufen.

Die Eigentumsstruktur der Max Felchlin AG trennt Kapital von unternehmerischer Macht.  Sie lässt aber noch gewisse Überschneidungen in Minderheitsverhältnissen zu – durch die Doppelrolle der Söhne Max Felchlins sowohl als Aktionäre als auch Mitglieder des Vereins. Ein limitierter Anteil der erwirtschafteten Gewinne fliesst aus dem Unternehmen gemäss der disquotalen Verteilung überproportional als Dividende an die Aktionäre neben dem Verein. In der Bandbreite zwischen “klassischen” Aktionärsstrukturen und der Vermögensbindung findet sich Felchlin in der Nähe von Steward-Ownership ein. Das Vereinsgremium erbringt die Selbstbestimmung. Dabei steht zum einen in der personellen Vertretung die ideelle Verbundenheit mit dem Unternehmen Felchlin und den Gründungswerten im Vordergrund. Zum anderen ist die Unternehmerschaft über den Verwaltungsratspräsidenten in einer Minderheit vertreten. Die gewählte Struktur unterliegt der Entscheidungsgewalt des Vereinsgremiums. Die Prinzipien von Steward-Ownership würden eine andere Gewichtung innerhalb des Gremiums vorsehen, wo die Unternehmerschaft noch stärker auch in der Eigentümerschaft abgebildet ist. Unternehmen in Steward-Ownership verankern diese Prinzipien rechtlich verbindlich (bspw. über eine Stiftungs-Lösung oder einen Veto-Anteil), was Max Felchlin bewusst nicht gemacht hat.

Max Felchlin hatte vor über dreissig Jahren neue Eigentumsstrukturen gewagt und eine inspirierende Nachfolgelösung gefunden, damit das Unternehmen in dessen Sinne fortbesteht. Die vergangenen Jahre und die Erfolgsgeschichte von Felchlin geben ihm Recht und haben inspirierende Strahlkraft für weitere Unternehmer:innen.

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Eckdaten Felchlin

Unternehmenstyp: ursprünglich familiengeführtes Unternehmen

Motivation: Nachfolgelösung

Rechtsform: Unternehmen ist eine AG mit Stimmrechtsmehrheit in eigens dafür gegründeten Verein

Umwandlung in alternative Eigentumsstruktur seit: 1992

«Die Personen, die in der unternehmerischen Verantwortung stehen, sollen auch entscheiden können. Und die, die gemeinsam in Verantwortung stehen, müssen ein gutes Team sein.»

– Christian Aschwanden, CEO Felchlin von 1992-2023

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Verantwortungseigentum

1. Selbstbestimmung – Die Kontrolle über das Unternehmen liegt bei Personen, die eng mit dem Betrieb des Unternehmens, seinem Zweck und seinen Werten verbunden sind. Es gibt keine automatische Vererbung der Stimmrechte und die Stimmrechte können nicht gehandelt werden. Sie werden treuhänderisch gehalten und aufgrund von übereinstimmenden Fähigkeiten, Werten und Vertrautheit mit dem Unternehmen weitergegeben.

2. Vermögensbindung Viele Unternehmer:innen betrachten ihre Unternehmen als etwas, für das sie Treuhänder:innen auf Zeit sind. Gewinne und Vermögen dienen dem Unternehmenszweck, werden reinvestiert, zur Deckung der Kapitalkosten verwendet oder gespendet. Gewinne und Vermögen können nur „limitiert” entnommen werden, um Investor:innen eine risikoadäquate Verzinsung und Gründer:innen eine faire Kompensation zu ermöglichen.

Zum Unternehmen: felchlin.ch

Herausgeber: purpose-schweiz.org

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