Beispiele zur Definition der Steward Owners

Beispiele zur Definition der Steward Owners

Phase
Eigentumskonzept entwerfen
Inhalts-Typ
Einzelarbeit - lesen
Bearbeitungszeit
25-30 Min
icon
Leitfrage

Wer sollte im Unternehmen aus welchen Gründen als Steward Owner formale Macht haben?

Wie andere Firmen Verantwortungseigentümer:innen definiert haben

Hier findest du Beispiele von Organisationen im Verantwortungseigentum mit dem Fokus darauf, wer aus welchen Gründen Verantwortungseigentümer:in sein soll. Also wie sie jeweils die Fragen nach Qualifikationen und Qualitäten von potenziellen Verantwortungseigentümer:innen und der Zusammensetzung des Gremiums der Verantwortungseigentümer:innen festgelegt haben.

Siehe dazu auch die Stimmrechtsverteilung und Voting-Share Map und die Voraussetzungen für Steward Owners.

soulbottles

Umsetzung Verantwortungseigentümer*innen

Die Stimmrechte liegen bei Mitarbeitenden des Unternehmens. Mitarbeitende, die aktiv seit mindestens 2.5 Jahren im Unternehmen arbeiten, erhalten die Option, Teilhaber*in am Unternehmen zu werden (in ihrem Falle bedeutet dies die Aufnahme in die Mitarbeiter*innen GbR). Es ist keine finanzielle Einlage nötig. Über die Aufnahme weiterer Personen als Verantwortungseigentümer*innen entscheiden die aktuell bestehenden Verantwortungseigentümer*innen. Zum Zeitpunkt der Umwandlung ins Verantwortungseigentum im Jahr 2018 wurden die beiden Co-Gründer zu Verantwortungseigentümern. In der Zwischenzeit hat sich die Zusammensetzung der Verantwortungseigentümer*innen mehrmals verändert. Zwei Mitarbeiterinnen und ein Mitarbeiter haben von der Option Gebrauch gemacht und den Antrag gestellt, Verantwortungseigentümer*in zu werden und alle wurden von den bisherigen Personen bestätigt. Das Gremium an Verantwortungseigentümer*innen umfasste somit zwischenzeitlich 5 Personen. Einer der beiden Gründer hat sich mittlerweile aus dem Unternehmen und somit auch als Verantwortungseigentümer zurückgezogen, der andere Gründer ist seit Ende 2022 nicht mehr Verantwortungseigentümer aber weiterhin im Unternehmen tätig. Somit ist die Rolle der Verantwortungseigentümer*innen innerhalb von 4 Jahren vom initialen Gründerteam zu einer neuen Gruppe an aktiven Mitarbeitenden übergangen. Diese Veränderung von der Gründerenergie zu frischem unternehmerischem Drive von Mitarbeitenden nach ungefähr fünf Jahren ist bei vielen Unternehmen zu beobachten.

Details und Auszüge aus Quellen

Begründung und Zusammensetzung der Mitarbeiter*innen-GbR
  • «soulbottles gehört sich seit Juni 2018 selbst – aber was genau bedeutet das? Während soulbottles ursprünglich im Besitz der Gründer Paul und Georg war, gehört die soulproducts GmbH, also die Firma, jetzt den Mitarbeitenden und ist weder verkäuflich noch vererbbar. Gemäß unserer Unternehmenssatzung liegt die Kontrolle über strategische Entscheidungen (97,6 % der Stimmrechte) in den Händen der Menschen, die einen Arbeitsvertrag mit der soulproducts GmbH haben.»
  • «Um Verantwortungseigentum rechtlich abzubilden, haben wir die soulmates GbR gegründet (eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechts).»
  • «Wer 2,5 Jahre bei soulbottles gearbeitet hat, bekommt die Option Teilhaber*in am Unternehmen zu werden – ohne dass man dafür etwas unterschreiben oder einen Betrag zahlen muss.»
Abgrenzung Verantwortungseigentümer*in und Geschäftsführer*in
  • «Während es hier um Teilhabe geht, gibt es noch einen kleineren Kreis von einzelnen Menschen, die auch persönlich für die soulproducts GmbH haften. Auf dem Papier sind das die Geschäftsführer*innen. Bei uns heißen sie Hafter*innen – da das Geschäft bei soulbottles von allen Mitarbeitenden geführt wird und es hier speziell um die Regelung der finanziellen Haftung geht.»

Argumentation

Eine minimale Anstellungsdauer und Anstellungsumfang (2.5 Jahre, 20 Wochenstunden) wurden als Mindestqualifikation für Verantwortungseigentümer*innen definiert, um eine gewisse persönliche Verbindung, Identifikation und Erfahrung rund um das Unternehmen sicherzustellen. Insbesondere mit der vorliegenden Organisationsstruktur und Unternehmenskultur nach den Prinzipien von Holacracy und der gewaltfreien Kommunikation (GfK) ist ein gewisser Erfahrungsschatz notwendig, um in diesem spezifischen Kontext ein Unternehmen und dessen Teammitglieder treuhänderisch erfolgreich zu führen. Entsprechend wurde als Fähigkeitsausweis für Führungspersonen auch das Durchlaufen eines GfK-Kurses als weiteres Kriterium definiert, den angehende Verantwortungseigentümer*innen absolvieren müssen. Diese Qualifikationen können aber bei Bedarf durch die aktuellen Verantwortungseigentümer*innen angepasst, respektive übergangen, werden, sollte dadurch die Aufnahme einer neuen Person verhindert werden, für die sich alle aussprechen.

Die rechtliche Lösung der Stimmrechte in der Mitarbeiter*innen GbR wurde gegenüber einer Vereins-Lösung bevorzugt, da die GbR grundsätzlich ermöglicht, dass Stimmrechte gewichtet unter den Mitgliedern verteilt werden können. Auch wenn dies aktuell nicht so ist, also alle Personen in der Mitarbeiter*innen GbR gleiche Stimmrechte haben, wollte diese Möglichkeit zur späteren Veränderung offen gelassen werden.

Organisationsstruktur: Holacracy

Zusammenarbeit orientiert sich an zwei konkreten Methoden / Haltungen: Holacracy und Gewaltfreie Kommunikation.

icon
«Nachhaltige Trinkflaschen aus Glas oder Edelstahl»

«Soulbottles begeistert seit zehn Jahren Menschen für nachhaltigen Konsum, gehört sich selbst und ermöglichte mehr als 100.000 Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser.»

  • soulproducts GmbH; in ; ca. 23 Mitarbeitende
  • Gegründet 2012, seit 2018 im Verantwortungseigentum
icon
Weiterführende Informationen

→ 🔗 Artikel “Warum Soulbottles sich selbst gehört”

Neue Narrative

Umsetzung Verantwortungseigentümer*innen

Mitarbeitende, die aktiv im Unternehmen sind und mindestens 24h pro Woche für das Unternehmen arbeiten, haben ein opt-in Recht auf die Position “Verantwortungseigentümer*in” (in ihrem Falle bedeutet dies eine Aufnahme in die Mitarbeiter*innen GbR, die gesamthaft 99% der Stimmrechte hält). Es ist keine finanzielle Einlage nötig. Bestehende Verantwortungseigentümer*innen können darüber hinaus weitere Personen aufnehmen, sofern sie sich in einem Konsent-Entscheid darüber einig sind. Zum Zeitpunkt der Umwandlung wurden die ehemaligen Initiator*innen/Gründer*innen zu Verantwortungseigentümer*innen. Die Zusammensetzung hat sich seit 2020 verändert, 3 weitere Personen sind in den Kreis der Verantwortungseigentümer*innen dazugestossen und eine Person ist daraus ausgetreten. Es haben nicht alle Mitarbeitenden von ihrem opt-in-Recht Verantwortungseigentümer*in zu werden, Gebrauch gemacht.

Details und Auszüge aus Quellen:

Auszug aus der Satzung der GmbH zur Allokation der Stimmrechte

2.3 Die Gesellschaft arbeitet als sogenanntes Unternehmen in Verantwortungseigentum. Außer dem Kontrollgesellschafter können nur ausgewählte Mitarbeiter des Unternehmens bzw. von Tochterunternehmen über die dafür geschaffene Mitarbeitergesellschaft stimmberechtigte Gesellschafter werden und bleiben.

Begründung und Zusammensetzung der Mitarbeiter*innen-GbR (= Gremium der Verantwortungseigentümer*innen)
  • «Wir haben eine Mitarbeiter*innen-GbR gegründet (eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechts), die 99 Prozent der Stimmrechte hält. {…} die Mitarbeiter*innen-GbR, in der zum Gründungszeitpunkt 4 Personen waren. Also alle, die mehr als 20 Stunden pro Woche für das Unternehmen arbeiten.»
  • Mitglied der GbR können nur Mitarbeiter*innen sein, die gerade aktiv im Unternehmen arbeiten.
  • «In dieser GbR haben alle eine gleichberechtigte Stimme, die aktuell im Unternehmen arbeiten. Konkrete Regelung sieht so aus: Alle, die mindestens 24 Stunden pro Woche für Neue Narrative arbeiten, haben ein Recht darauf, in der GbR zu sein. Alle anderen können auch in der GbR sein, sofern die aktuellen Menschen in der GbR das per Konsent-Entscheid beschliessen. Die Entscheidungsprinzipien in der Mitarbeiter*innen-GbR basieren auf dem Konsent-Prinzip, wir berufen uns dabei auf die Holacracy-Verfassung. » (Quelle: NN Heft #09 und Artikel)
  • «6.1 Die Gesellschafter*innenversammlung ist oberstes Organ der GbR und zugleich im Innenverhältnis als Kollektiv zur Geschäftsführung in der GbR befugt»
  • «Die GbR-Gesellschafter*innen können einstimmig entscheiden, eine*n Gesellschafter*in aus der GbR auszuschließen. Der/die betroffene Gesellschafter*in hat dabei kein Stimmrecht.»
Auszug aus dem Vertrag der Mitarbeiter*innen-GbR

Aus dem Kreis der GbR-Gesellschafter*innen wird ein*e geschäftsführende*r Gesellschafter*in (nachfolgend auch als „GbR-Geschäftsführer*in“ bezeichnet) bestimmt. Dieser/Diese ist im Innen- sowie Außenverhältnis alleinvertretungsberechtigt. Insbesondere übt die GbR-Geschäftsführer*in die Rechte aus den A-Geschäftsanteilen der GbR gegenüber der GmbH und gegenüber den übrigen GmbH Gesellschafter*innen aus. Der/die GbR–Geschäftsführer*in ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

• Zur Teilnahme an dem Mitarbeiter*innenbeteiligungsprogramm ist nur zugelassen, wer (i) entweder in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 ArbGG oder (ii) als Geschäftsführer*in oder sonst in einem dauerhaften Dienstverhältnis zu der NN Publishing GmbH oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen steht oder (iii) eine Gesellschaft ist, an der ausschließlich unter (i) oder (ii) bezeichnete Personen beteiligt sind und nach deren Statuten beteiligt sein dürfen.

• Wer (i) in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 ArbGG mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 24 Stunden zu der Gesellschaft steht oder (ii) Geschäftsführer*in der NN Publishing GmbH ist, hat ein Recht auf Aufnahme in die GbR (Opt-in Recht). Die Entscheidung über die Teilnahmeberechtigung der sonstigen in Ziffer 4.2 genannten Personen und Gesellschaften obliegt der Entscheidung der bereits vorhandenen GbR-Gesellschafter, die hierüber gemäß Ziffer 6 entscheiden.

• Die Aufnahme eine*r Teampool–Mitarbeiter*in aus einem Opt-in Recht vollzieht die/der GbR–Geschäftsführer*in. Über die Aufnahme von sonstigen Teampool-Mitarbeiter*innen entscheidet die Gesellschafterversammlung. Sie wird von der/ dem GbR-Geschäftsführer*in vollzogen.

Argumentation

Ein Unternehmen sollte immer den Menschen gehören, die aktuell darin arbeiten und die Verantwortung für dessen Erfolg tragen. Wir glauben: Je mehr der Kreis der Menschen, die eine Organisation aktuell ausmachen, mit dem Kreis der Eigentümer*innen, denen sie gehört, überlappt, desto besser: besser für das Unternehmen, besser für die Menschen darin und besser für den Planeten.

Organisationsstruktur: Selbstorganisation inspiriert durch Holacracy

Selbstorganisation inspiriert durch Holacracy mit Fokus auf rollenbasiertem Arbeiten.

icon
«Unsere Arbeitswelt braucht ein Update!»

«Mit unseren Produkten befähigen wir Menschen dazu, eine bessere Wirtschaft zu gestalten. Alles fing an mit einem Printmagazin, mittlerweile sind wir ein kleiner Verlag in Verantwortungseigentum.»

  • NN Publishing GmbH mit NN Publishing Mitarbeiter*innen-GbR; Verlag in Berlin, Deutschland; ca. XY Mitarbeitende
  • gegründet 2019, seit im Verantwortungseigentum seit 2020

“Firmenname”

Umsetzung Verantwortungseigentümer*innen

Mitarbeitende, die aktiv im Unternehmen sind (Pensum zwischen 30-50% als Minimum) und mindestens seit 2 Jahren in der Organisation tätig sind. Dies ist die als “objektiv” definierte Ausgangslage, um das Unternehmen wirklich zu spüren. Zusätzlich sollen subjektiv ausreichend Verdienste für die Organisation erbracht worden sein. Neben den aufgeführten Qualifikationskriterien sollen Verantwortungseigentümer*innen unter Anderem folgende Qualitäten mitbringen: starker Bezug zum Purpose der Organisation und Identifikation mit dem Unternehmen, wesentliche Impulse für die organische Unternehmensentwicklung beitragen, eine hohe Entscheidungsbereitschaft unter Ambivalenz. In seiner Gesamtheit soll das VE-Gremium die Perspektiven Leadership, Marktkenntnis, Kreativität und strukturelle Weiterentwicklung abdecken. Die Zusammensetzung folgt dem generellen unternehmerischen Designprinzip “So wenig wie möglich und so viel wie nötig” und jede Erweiterung des VE-Gremiums soll einen klaren Mehrwert für das Gremium der Verantwortungseigentümer*innen bieten. Zum Zeitpunkt der Umwandlung ins Verantwortungseigentum wurden zwei (der ursprünglich vier) Gründungsgesellschafter zu Verantwortungseigentümern und es läuft der Prozess, das VE-Gremium um zwei weitere Mitarbeitende zu erweitern.

Details und Auszüge aus Quellen:

Aus dem Future Ownership Memo

Auch im Verantwortungseigentum bleibt zwar eine definierte Gruppe von stimmberechtigten Gesellschafterinnen bestehen, es wird aber einen klar geregelten Zugang zu dieser Gruppe geben, so dass das Gesellschafterinnen-Gremium sukzessive eine stärkere Repräsentation des Gesamtsystems der Organisation darstellt.

Die Rolle der Verantwortungseigentümer - Die Stimmrechte

Klassischerweise entscheiden Eigentümer*innen in Unternehmen mit der Rechtsform einer GmbH/UG  über die Themen, die in § 46 GmbHG festgelegt sind. Das sind u.a. die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses, die Bestellung und Entlastung der Geschäftsführung und Satzungsänderungen. Personen, die die Stimmrechte eines Unternehmens übernehmen, sollten daher in der Lage und geeignet sein, diese Entscheidungen zu treffen und diese grundsätzliche Verantwortung zu übernehmen.

Welche Verantwortung tragen die Verantwortungseigentümer*innen?

Welche Verantwortungen liegen in dieser Rolle (neben den gesetzlichen Pflichten)?

  • Müssen das tun, was nirgendwo anders verantwortet wird, aber passieren muss / entschieden werden muss. Also die Letztverantwortung, wenn es nicht anders geregelt ist.
  • Sind dafür verantwortlich, den Purpose zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
  • Purpose Red Lines im Auge behalten: Übergreifende Spannungen im Kontext des Purpose eine Bühne geben, in Kontakt bringen und dafür sorgen, dass Spannungen sich lösen.
  • Haben über ihre gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen hinaus die Verantwortung, früh genug einzugreifen, wenn die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit (das Herz der Organisation) gefährdet ist.
  • Sollen die Weiterentwicklung der Eigentümer-bezogenen Governance vorantreiben und entwickeln. Also zum Beispiel passende Beiräte, Mitarbeiter*innenvertretungen und Erfolgsbeteiligungen gestalten.
  • Fördern, evaluieren und Entscheiden über Beteiligungen / Neugründungen / Ausgründungen.
  • Ermöglichen es unternehmerischen Initiativen, die zur Organisation passen, unter die Decke zu schlüpfen.
  • Definieren Investitionsgrenzen, die durch die VEs freigegeben werden müssen.

Stimmrechtsverteilung im Verantwortungseigentum

Im Moment sollen erstmal einige wenige Menschen, die sich als passende Träger herauskristallisiert haben, die Verantwortung und die Stimmrechte übernehmen bzw. behalten. Die VEs sollen zunächst aus dem Inneren der Organisation kommen und aktive Rollen innehaben. Es gibt den Wunsch, einen breiteren Zugang zum VE-Kreis nach klaren Kriterien zu ermöglichen, sofern dies im Unternehmen sinnvoll erscheint.

Welche Qualitäten sollte ein/e Verantwortungseigentümer*in mitbringen?

Folgende Qualitäten sind uns für das Übernehmen der Rolle der Verantwortungseigentümer*innenschaft wichtig und spielen eine Rolle für unsere Entscheidung

  • Die VEs sollten einen starken Bezug zum Purpose der Organisation haben. Es ist wichtig, dass es eine Beziehung des Individuums zu dem Sinn und Zweck von der Organisation gibt.
  • VEs sollten eine starke Identifikation mit der Organisation haben. Sie müssen also eine ausreichende Zeit bei der Organisation gewesen sein, um ein gutes Gespür für das Unternehmen zu haben.
  • VEs sollten eine hohe Entscheidungsbereitschaft unter Ambivalenz und die Bereitschaft haben, die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu tragen.
  • VEs sollten eine gute Balance aus Lösungskompetenz/Zielgerichtetheit und Prozessverständnis/Emergenz mitbringen: dazu gehört das bewusste Austarieren von Problemraum und Lösungsraum, aber auch das Verständnis darüber, dass das Leben sowohl als Aneinanderreihung von “ Ergebnissen” als auch als Prozess gesehen und genossen werden kann.
  • VEs sollten eine Akzeptanz und die Fähigkeit für Ambiguität haben: Statt “entweder oder” eher “sowohl als auch”.
  • VEs sollten die Fähigkeit haben, einen evolutionären Ansatz zum Manifestieren unseres Purpose zu verfolgen.
  • VEs sollten eine Kompetenz und ein klares Bild haben, wie sie durch ihr individuelles Wirken den Impact und das organische Wachstum der Organisation im Sinne des Purposes beeinflussen können.
  • VEs sollten (wesentliche) Impulse für die Unternehmensentwicklung einbringen.
  • VEs sollten ein organisches Entwicklungsmindset haben. Entwicklung ist in diesem Sinne als natürlicher Prozess mit Blick auf die Organisation als “Organismus” zu verstehen.
  • VEs sollten ein emotionales Commitment in der Breite und Tiefe einbringen – also so viel Zeit wie nötig und Bereitschaft zur Intensität in der Auseinandersetzung.
  • Die jeweiligen neuen VEs sollten einen Mehrwert für das Gremium der VEs schaffen, sie sollten also eine Art “USP” haben. Im VE-Gremium sollen verschiedene “USPs” vertreten sein und ein gemeinsames Bild herrschen, wer welche Qualität einbringt. Es stellt also keinen reinen Mehrwert dar, eine höhere Anzahl VEs zu haben, sondern es geht um die Mischung von Sichtweise und Qualitäten.

Worauf soll bei der Zusammensetzung des Gremiums geachtet werden?

  • Generelles Designprinzip: So wenig wie möglich und so viel wie nötig
  • (Demographische) Diversität: im Moment vor allem Geschlecht und Alter, weitere Kriterien können folgen
  • Ausgeglichenheit von Marktnähe und interner Perspektive: Balance aus beraterischer und nicht-beraterischer Perspektive, Balance aus Business-Kreis- und Vorleistungskreis-Perspektive
  • Über alle Personen hinweg sollten die folgende Perspektiven repräsentiert sein; d.h. nicht jede einzelne Person muss alle Perspektiven gleichwertig repräsentieren, das Gesamtgremium sollte aber möglichst alle Blickwinkel vereinen:
    • Leadership: Führungswille und Führungskompetenz in der Weiterentwicklung des Unternehmens. Unter einer hilfreichen Führungshaltung verstehen wir dabei eine Kombination aus Zielgerichtetheit und Sensibilität für emergente Entwicklung (s.o.).
    • Struktur/ Prozess: Die Fähigkeit, strukturelle und prozessuale Weiterentwicklungsimpulse auf Ebene der Meta-Entscheidungsprämissen einzubringen. Hier geht es explizit nicht darum, in die Autonomie und Accountabilities der verantwortlichen Rollen einzugreifen, sondern sich als Sparringspartner für diese Rollen zu verstehen und immer wieder zu einer gemeinsamen Big Picture Betrachtung in der Lösungsorientierung zu kommen..
    • Umsatz / Markt: Marktkenntnis, Einschätzungskompetenz von Beratungsansätze -und projekten und Beurteilungsfähigkeit von marktlichen Entwicklungen und Potenzialen, um eine Wertschätzung unserer Leistungen durch unsere Kunden (und damit eine ausreichende Wertschöpfung) heute und in der Zukunft sicherzustellen.
    • Kreativität: Unternehmertum braucht die Lust am spielerischen Entdecken und am Neuerfinden, für beides benötigt das Gremium der VEs eine gute Portion Kreativität und Gestaltungsfreude.

Welche Gesellschafterqualifikationen müssen Verantwortungseigentümer*innen erfüllen?

  • Operative Mitarbeit im Unternehmen muss gegeben sein (Zwischen 30-50% als Minimum)
  • Mehrheit muss immer bei operativ Mitarbeitenden liegen
  • Objektiv: Eine Mindestzugehörigkeit von 2 Jahren, um das Unternehmen wirklich zu spüren
  • Subjektiv: Ausreichende Verdienste für die Organisation. Also Leistungen erbracht oder Verantwortung übernommen haben.
  • Wann sollte jemand nicht mehr VE sein?
    • Es soll die Möglichkeit für einen konstruktiven Misstrauensantrag geben.
    • → Mechanismus: Wenn die Gruppe der VEs in Zukunft breit genug ist, dann soll es möglich sein, bei einer hohen Mehrheit rausgewählt zu werden (tbd.)

Wer soll Verantwortungseigentümer*in sein und werden?

Sicher: *Person 1 und *Person 2 (=2 von 4 Gründern)

Erster Erweiterungsschritt (aktuell in Diskussion): *Person 3 und *Person 4

Weitere: tbd.

Argumentation

Es braucht eine Mindestverbundenheit zur Organisation, die sowohl inhaltlich und emotional über die Identifikation mit dem Unternehmen und dessen Purpose als auch zeitlich und meritokratisch über erbrachte Leistungen für das Unternehmen im Mitarbeitendenverhältnis, um die Verantwortung und Pflichten als Verantwortungseigentümer*in übernehmen zu können.

Organisationsstruktur: Selbstorganisation

Auf der Ebene des operativen Betriebssystems liegt ein hohes Maß an struktureller und prozessualer Klarheit in einem selbstorganisierten Rahmen vor. Aus Sicht der aktuell operativ tätigen Gesellschafter ist die Gesellschafter-Ebene die einzige Unternehmensebene, die derzeit nicht gut mit dem Rest des Unternehmens verbunden ist.

icon
«Wir bauen eine neue Wirtschaft. Mit dir.»

«Es ist Zeit, Organisationen und Unternehmen neu zu denken. Es ist Zeit, wirtschaftlichen Erfolg neu zu definieren. Mit Beratung, Trainings und der Gestaltung von Arbeitsumgebungen schaffen wir nachhaltige Geschäftsmodelle und anpassungsfähige Organisationen.»

  • Agentur für Organisationsentwicklung in Deutschland; ca. 20 Mitarbeitende und ca. 25 weitere Personen im Netzwerk
  • gegründet 2015, seit im Verantwortungseigentum seit 2023
  • B Corp Zertifiziert
icon
Weiterführende Informationen

Bosch

Umsetzung Verantwortungseigentümer*innen

Die Mehrheit der Stimmrechte (93%), und somit die unternehmerische Gesellschafterfunktion, liegen bei einem Gremium von zehn Personen mit Kopfstimmrecht. Von diesen zehn Verantwortungseigentümer*innen sind vier aktuelle (zwei davon sind geschäftsführende Gesellschafter) und frühere Manager des Unternehmens und sechs sind Unternehmer*innen, die das Unternehmen seit langer Zeit begleiten. Die Familie Bosch hat das Recht auf einen Platz in dem Gremium. Verantwortungseigentümer*innen werden jeweils für einen Zeitraum von 5 Jahren bestimmt und müssen anschliessend von den restlichen Eigentümer*innen wiedergewählt werden. Das Höchstalter von Verantwortungseigentümer*innen beträgt 72 Jahre. Wird dieses Alter erreicht, scheidet die Person aus und die übrigen Verantwortungseigentümer*innen ernennen jemand Neues.

Details und Auszüge aus Quellen:

Aus dem Fallbeispiel im Purpose Workbook
  • Familie hält 7% Stimmrechte und 8% Dividendenanteile
  • Robert Bosch Industrietreuhand KB hält 93% der Stimmrechte hat aber keine Dividendenrechte.
  • Diese Industrietreuhand KG wiederum hat zehn Eigentümer*innen als Verantwortungseigentümer*innen auf für jeweils 5 Jahre begrenzte Zeit.
  • Vier dieser Eigentümer*innen sind frühere sowie aktuelle Manager von Bosch und sechs von ihnen sind Unternehmer*innen, die Bosch seit langer Zeit begleiten (aktuell unter anderem ein ehemaliger Leiter der UBS Bank, der CEO von BASF und weitere erfahrene Unternehmer*innen). Zwei dieser zehn sind geschäftsführende Gesellschafter. Allerdings haben alle Gesellschafter*innen nur eine Stimme und versuchen stets einstimmige Entscheidungen herbeizuführen. Hat ein oder eine Treuhandeigentümerin das Alter von 72 Jahren erreicht, geht die Person in den Ruhestand und es wird jemand Neues von den übrigen Eigentümerinnen ernannt. Sie werden stets für fünf Jahre bestellt und müssen anschließend von den restlichen Eigentümerinnen wiedergewählt werden. Die IK kontrolliert Bosch direkt und indirekt, indem sie die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands bestimmt sowie den oder die Geschäftsführerin ernennt (offiziell per Abstimmung des Aufsichtsrats). Aufgrund des deutschen Mitbestimmungsrechts sind die Hälfte der 20 Mitglieder des Aufsichtsrats von Arbeitnehmenden gewählte Repräsentant*innen.
Liste der Verantwortungseigentümer*innen und Geschäftsführenden gemäss Geschäftsbericht 2021
image

Geschäftsführung (teilweise endend oder startend im 2021)

  • Dr. Stefan Hartung
  • Prof. Dr. Stefan Asenkerschbaumer (bis 31.12.21)
  • Dr. Christian Fischer
  • Dr. Michael Bolle
  • Rolf Najork
  • Harald Kröger 
  • Dr. Markus Heyn
  • Uwe Raschke 
  • Dr. Markus Forschner 
  • Filiz Albrecht
Auszug aus einem Interview mit dem Handelsblatt 2019 Christof Bosch (Gründerenkel und VE), Konzernchef Volkmar Denner (VE) und Chefaufseher Franz Fehrenbach

Nun hat Bosch ja eine einzigartige Stiftungskonstruktion. Sie, Herr Fehrenbach, waren neun Jahre CEO und sind jetzt Chef der Industrietreuhand und damit Eigentümer auf Zeit. Bei Herrn Scholl vor Ihnen war es nicht anders, und bei Herrn Denner nach Ihnen wird es wohl auch nicht anders sein. Wie hilft diese Konstruktion, besonders kritisch zu sein? Der Corporate Governance Kodex für börsennotierte Gesellschaften sieht den direkten Wechsel vom Vorstand in die Kontrollgremien sehr kritisch.

Fehrenbach: Zunächst muss man sich die Unterschiede zwischen einer AG und einer GmbH klarmachen. Die AG hat Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Eine Hauptversammlung gibt es bei uns nicht. Bei uns gibt es die Gesellschafter. Das GmbH-Gesetz spricht den Gesellschaftern eine echte unternehmerische Lenkungsfunktion zu, bis hin zum Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung. Sprich die Gesellschafterfunktion, wie sie Christof Bosch mit den anderen Mitgliedern der Industrietreuhand wahrnimmt, haben Sie in der AG gar nicht. Diese Lenkungsfunktion der Gesellschafter ermöglicht es, wichtige und kritische Themen für die langfristige Existenzsicherung des Unternehmens frühzeitig zwischen Geschäftsführung und Industrietreuhand zu diskutieren, und zwar lange vor möglichen Entscheidungen. Das heißt: Wir leben da einen integrativen Ansatz.

Denner: Ich möchte noch ergänzen, dass der Bosch-CEO auch Mitglied der Industrietreuhand ist. Das ist eine wichtige Doppelfunktion, die man in einer AG nicht kennt. Ich habe damit auch eine Verpflichtung als Gesellschafter.

Kann dieses Bosch-Modell als Vorbild dienen, oder muss das gewachsen sein?

Fehrenbach: In Wirtschaftskreisen wird das Thema intensiv diskutiert, und es kristallisiert sich ein Begriff heraus, der mir persönlich sehr gut gefällt: die Verantwortungseigentümer. Herrn Denner und mir gehört von der Firma nichts, dennoch fühlen wir uns beide in der vollen unternehmerischen Verantwortung für das Unternehmen. Wir sind also Verantwortungseigentümer. Und das geht natürlich nur, wenn Sie sich mit dem Unternehmen identifizieren können. Das geht nur bei voller Identifikation mit den Werten, Leitlinien und Zielen und vor allem mit dem strategischen Leitbild „Technik fürs Leben“. Das geht nur, wenn handelnde Personen voll übereinstimmen mit dem, was im Unternehmen gelebt wird. Sonst funktioniert das mit dem Verantwortungseigentum nicht.

Bei Ihnen gibt es die historische Komponente. Können Sie das Modell auch für andere, jüngere Unternehmen empfehlen?

Fehrenbach: Es gibt gerade im Mittelstand Interessierte, die sich intensiv damit beschäftigt, wie man in eine solche Stiftungskonstruktion kommt, insbesondere dann, wenn es keinen Nachfolger aus der Familie heraus gibt.Bosch: Es braucht dafür schon auch Zeit. Es bedeutet ja schließlich für die Eigentümer einen Verzicht auf Zugriff auf das Unternehmen.

Sie sprechen von einer Art Vetorecht?

Bosch: Das wäre sozusagen die Ultima Ratio der Eigentümermacht. Wir haben beispielsweise kein Vetorecht mehr. Eine Familie muss erkennen, dass das Unternehmen zu groß geworden ist und andere Strukturen braucht. Dann muss die Familie einen Schritt zurücktreten. Das hat die Generation vor mir getan und damit den Grundstein dafür gelegt, dass der testamentarische Wille meines Großvaters auch umgesetzt werden konnte. Nur so konnte das Unternehmen weiter kraftvoll geführt werden, weil heute Verantwortungseigentümer da sind, und weil in der Industrietreuhand Personen Verantwortung tragen, die das Unternehmen als Unternehmer kontrollieren. 

Denner: Meine Erfahrung ist, dass es neben dem Vertrauen auch große Freiheiten für die operative Leitung des Unternehmens gibt. Diese Freiheit führt dazu, dass wir frühzeitig die wichtigen Themen offen besprechen und Input einholen. Ich frage mich manchmal, wie es wäre, wenn man an der kurzen Leine geführt würde. Dann würde vermutlich jeder auf seine Entscheidungsbefugnisse pochen, sei es in der Familie, im Aufsichtsrat, in der Treuhand und in der Geschäftsführung. Aber solche Situationen gibt es bei uns gar nicht. Das Vertrauen bestärkt dazu, frei und offen zu agieren, allerdings immer mit dem Primat der Sache als Basis für Entscheidungen. Das große Maß an Freiheit führt zu Verantwortungsgefühl und Verpflichtung.

Wie wichtig ist für Sie die Zusammensetzung der Industrietreuhand, in der aktuell zehn Personen versammelt sind?

Fehrenbach: Die Zusammensetzung ist extrem wichtig.

Wer sucht neue Mitglieder aus?

Fehrenbach: Wenn Sie die unternehmerische Lenkungsfunktion in einem Gremium wie der Industrietreuhand haben, dann müssen Sie dort geschäftlich kompetente Gesellschafter mit unterschiedlichen Expertisen versammeln. Zudem darf die Gruppe nicht zu groß sein, sonst können Sie nicht mehr diskutieren und entscheiden. Wir sind heute zehn Mitglieder in der Industrietreuhand, davon die aktiven Bosch-Geschäftsführer Herr Denner und Herr Asenkerschbaumer sowie Herr Malchow und ich als ehemalige Geschäftsführer. Christof Bosch zähle ich zu den externen, die nicht in der Geschäftsführung waren. Neben ihm gibt es fünf externe Industrielle und Wissenschaftler, alles gestandene erfahrene Persönlichkeiten, die die Vorgänge im Unternehmen beurteilen können. Ohne dieses Wissen können Sie die Funktion der Industrietreuhand gar nicht ausüben.

Aber wie genau wählt die Industrietreuhand jetzt die Mitglieder aus?

Fehrenbach: Aus sich heraus.

Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts werden doch sicher auch neue Fähigkeiten gebraucht?

Fehrenbach: Das ist ein wichtiger Punkt. Darauf achten wir natürlich genau und das schon seit Langem. Vergleichen Sie das mal damit, was augenblicklich in den Aktiengesellschaften passiert. Dort fragen Aktivisten und Banken vermehrt danach, was denn die Kompetenzen und Qualitäten der Aufsichtsräte sind. Für uns ist das nichts Neues.

Spüren Sie in den Diskussionen womöglich, wo noch eine Kompetenz fehlt?

Fehrenbach: Seit dem Frühjahr ist Professor Fleisch von der Uni Sankt Gallen und der ETH Zürich Mitglied der Industrietreuhand. Er ist spezialisiert auf Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle, beides Bereiche, die immer wichtiger werden.

Sie haben ja bei Bosch die Möglichkeit, Kräfte für die Treuhand erst im Aufsichtsrat zu testen...

Fehrenbach: Das stimmt, aber nicht alle aus dem Aufsichtsrat können auch Gesellschafter werden.

Argumentation

Die Inklusion von internen und externen Personen ist gewählt, um bewusst auch Raum und Stimme für die Aussenperspektive zu schaffen und einer internen “Beweihräucherung” oder zu stark eingeengtem Blick entgegenzuwirken. Der fixe Zeitraum und Altersobergrenze erfüllt den Zweck, dass bewusst ein Moment geschaffen wird, an dem innegehalten wird, die Zusammensetzung geprüft wird und sich das Gremium so gegebenenfalls auch leichter verändern kann, ohne einen komplizierten Mechanismus einer Abwahl festzulegen.

Organisationsstruktur

“Klassisch” hierarchisches Unternehmen mit verschiedenen Sparten, jeweiligen Leitungspersonen und einer Mitarbeitendenorganisation darunter.

icon
«Technik für Leben»

Die Bosch-Gruppe ist eines der führenden Technologie- und Dienstleistungsunternehmen Deutschlands.

  • KG; Technologie- und Dienstleistungsunternehmen in Deutschland; 2017 waren über 402.000 Menschen bei Bosch beschäftigt.
  • 1886 gegründet, seit 1964 im Verantwortungseigentum in Form eines Doppelstiftungsmodells.
icon
Weiterführende Informationen

Zum nächsten Schritt

Herausgeber: Purpose Schweiz

Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung