Stimmrechtsverteilung und Voting-Share Map

Stimmrechtsverteilung und Voting-Share Map

Phase
Eigentumskonzept entwerfen
Inhalts-Typ
Einzelarbeit - lesen
Bearbeitungszeit
25-30 Min
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Leitfrage

Wer sollte im Unternehmen aus welchen Gründen als Steward Owner formale Macht haben?

Stimmrechtsverteilung und Verantwortungseigentum

Mit der Entscheidung, Verantwortungseigentum umzusetzen, ist eine Entscheidung bzgl. der Verteilung der Stimmrechte bereits gefallen. Denn durch das Selbstbestimmungsprinzip ist festgelegt, dass nur Menschen, die mit dem Unternehmen eng verbunden sind, das Steuerrad des Unternehmens, die Stimmrechte, treuhänderisch übernehmen dürfen. Bleibt also, wie bei jeder Gründung, noch die Frage, wie soll das Stimmrecht verteilt werden? Soll das Stimmrecht bei einer einzelnen oder einigen wenigen Personen oder allen liegen, bleibt es stets bei bestimmten Personengruppen? Purpose-Unternehmen praktizieren eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen zur Stimmrechtsverteilung, die von jedem Unternehmen individuell gewählt und passend umgesetzt wurde. Die Leitfrage für die Verteilung des Stimmrechts ist für alle Unternehmen gleich: Welche Personen bringen sich unternehmerisch für die Idee ein, gehen in die volle Verantwortung für das Unternehmen und sind von ihren Fähigkeiten und Werten geeignet, Mitgründer:in und Miteigentümer:in zu werden? Wie bei der Gestaltung des Rechtskleides im Allgemeinen, soll der im Folgenden gegebene Überblick die Vielfalt der Möglichkeiten aufzeigen und Inspiration liefern. Letztlich ist jedes Unternehmen mit seiner eigenen Kultur einzigartig, und so die Lösungen ebenfalls.

Die Rolle der Verantwortungseigentümer*innen

Im Grundsatz ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, welche Verantwortung und Pflichten die Eigentümer:innen eines Unternehmens in Verantwortungseigentum gerecht werden müssen (siehe auch Eigentumsverständnis ). Insbesondere ist eine Abgrenzung zu anderen rechtlichen Funktionen innerhalb des Unternehmens zu ziehen. Dabei ist besonders die  Rolle der Geschäftsführer:innen und Mitarbeiter:innen von der des Eigentümers bzw. der Eigentümerin abzugrenzen, auch wenn es dabei zu Überschneidungen kommen kann. Für eine Vielzahl der Entscheidungen im Alltag des Unternehmens sind Mitarbeiter:innen und, mit rechtlicher Konsequenz, die Geschäftsführer:innen verantwortlich. Diese Ebenen sind nicht unbedingt von der Verteilung des Eigentums (Stimmrechts) betroffen. Klassischerweise entscheiden Eigentümer:innen in Unternehmen mit der Rechtsform einer GmbH/AG  über die Themen, wie die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses, die Bestellung und Entlastung der Geschäftsführung und Satzungsänderungen. Personen, die die Stimmrechte eines Unternehmens übernehmen, sollten daher in der Lage und geeignet sein, diese Entscheidungen zu treffen.

Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass die gelebte Entscheidungskultur unterhalb der Eigentums-Ebene, d.h. Geschäftsführung, Zusammenarbeit, etc., nicht direkt mit der Verteilung des Stimmrechts zusammenhängt. Indirekt jedoch sollte die Wahl der Verantwortungseigentümer:innen idealerweise die gelebte Kultur widerspiegeln.

Verteilung des Stimmrechts

Die individuell passende Verteilung des Stimmrechts und damit die Frage, wer Verantwortungseigentümer:in ist und in Zukunft sein kann, muss jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden. Theoretisch ist alles von einem oder einer einzigen Verantwortungseigentümer*in bis hin zu einer demokratischen Verteilung des Stimmrechts unter allen Mitarbeiter:innen des Unternehmens möglich. Auch eine Anpassung der Verteilung der Stimmrechte ist in der Zukunft weiterhin möglich. Die Entscheidung für die individuell passende Verteilung basiert häufig auf der im Unternehmen herrschenden Kultur und die Verteilung von Entscheidungsbefugnissen vor der Transformation.

Dabei sind insbesondere drei Fragen zu klären:

(1) Welche Personen(-gruppe), d.h. wie viele Menschen, sollen Stimmrechte halten; (2) nach welcher Logik sollen die Stimmrechte unter den definierten Personen verteilt und (3) mit welcher Mehrheit soll letztlich entschieden werden.

Verortung im Quadranten der Voting-Share Map

Ein guter Startpunkt, um die eigenen Bedürfnisse an die Stimmrechtsverteilung zu entwickeln, ist die Verortung innerhalb des folgenden Vier-Quadranten-Modells. In dem Modell ist die Verortung des Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Meritokratie und Demokratie sowie zwischen der Verteilung auf Menschen aus dem Unternehmen (Interne) und nicht unmittelbar im Unternehmen arbeitende Personen (Externe) möglich. Zwecks Orientierung sind in der Darstellung bereits einige Unternehmen verortet. Die Einordnung der jeweiligen Unternehmen bezieht sich dabei nur auf die Verteilung des Eigentums/Stimmrechts in den jeweiligen Unternehmen. Sie sagt nur bedingt etwas über die gelebte Entscheidungskultur unterhalb der Eigentums-Ebene im Unternehmen aus.

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Informationen zu den Unternehmen:

  • Bosch: 10 Verantwortungseigentümer*innen, zur einen Hälfte mit Menschen aus dem Unternehmen und zur anderen Hälfte mit externen, langjährigen Begleiter*innen des Unternehmens besetzt.
  • Ecosia: Zwei Verantwortungseigentümer, die Gründer und Geschäftsführer
  • Soulbottles: Derzeit vier Verantwortungseigentümer*innen und die Möglichkeit für alle Mitarbeiter*innen bei Erfüllung genannter Kriterien.
  • Zeiss: Die Mehrheitliche Kontrolle der Stimmrechte liegt bei Unternehmensexternen (Stiftungsrat). Es gibt jedoch eine Vertretung des Unternehmens im Stiftungsrat sowie einen Vorstandsbeirat, welcher eine Verbindung zu den Unternehmen sicherstellt.
  • Bio verlag: Die Mehrheit der Stimmrechte liegt bei aktiven Mitarbeiter*innen des bio verlags. Eine Stimmrechtsminderheit liegt in einer gemeinnützigen Stiftung.

Im Rahmen der eigenen Verortung ist eine Auseinandersetzungen mit den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Extreme sinnvoll.

Im Folgenden sind einige Risiken und Chancen aufgeführt.

Chancen
Risiken
Innen
Unternehmertum Initiative Schnelle Entscheidungen
Keine Checks & Balances Selbstverliebt in den Abgrund
Außen
Außenperspektive wird mit einbezogen Befruchtung von Außen
Verwalten statt Gestalten Unternehmertum-feindlich Paternalistisch
Demokratie
Rechtliches Eigentum führt zu breitem emotionalen Eigentum
Eigentümer*innen ≠ emotionale Eigentümer*innen Langsamkeit und Mittelmäßigkeit Unternehmerische Initiative wird getötet
Meritokratie
Unternehmerische Initiative Schnelle Entscheidungen Lange Wertetreue Wirkliche Eigentümer*innen
Abgehobene Eigentümer*innen Verhinderung von emotionalem Eigentum bei Mitarbeiter*innen

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Herausgeber: Purpose Schweiz

Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung