Erweiterung und Weitergabe der Stimmrechte

Erweiterung und Weitergabe der Stimmrechte

Phase
Eigentumskonzept entwerfen
Inhalts-Typ
Einzelarbeit - lesen
Bearbeitungszeit
25-30 Min
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Leitfrage

Wie soll über die Erweiterung und Weitergabe des Kreises der Steward Owners entschieden werden?

Weitergabe der Stimmrechte

Neben der Entscheidung, welche Personen heute die Stimmrechte halten sollen und damit die Verantwortungseigentümer:innen des Unternehmens werden, ist ebenfalls festzulegen, welche Personen, Personenkreise und/oder Gremien die Nachfolge und Ernennungen von neuen Verantwortungseigentümer:innen übernehmen sollen und welche Kriterien hierfür in Zukunft in Betracht gezogen werden sollen. Wie auch bei der Stimmrechtsverteilung und Voting-Share Map gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten, die sich stark voneinander entscheiden. Im Folgenden werden verschiedene Ausgestaltungen der Nachfolgeregelungen von Unternehmen in Verantwortungseigentum vorgestellt. Sie haben unterschiedliche Antworten auf die Leitfrage gefunden, welche Personen oder Personengruppe aufgrund ihrer Fähigkeiten, Werte und ihrer Beziehung zu Unternehmen die richtigen sind, um über die Vergabe der Stimmrechte, die Nachfolge und Ernennung von Verantwortungseigentümer:innen zu bestimmen. Folgend findet ihr Inspiration für die Entwicklung der zu euch passenden Lösung.

Typische Nachfolgeregelungen

Unternehmen in Verantwortungseigentum entscheiden sich im wesentlichen zwischen zwei verschiedenen Wegen die Entscheidung über die Nachfolge zu strukturieren: 1) Die Kooptation, d.h. die Verantwortungseigentümer:innen entscheiden selbst über die Nachfolge oder 2) ein Nachfolgerat wird eingerichtet, welcher über die Vergabe/Weitergabes des Stimmrechts entscheidet. Beide Varianten können wiederum noch unterschiedlich ausgestaltet werden.

Kooptation

Die Kooptation ist die einfachste Möglichkeit der Nachfolgeregelung. Dabei obliegt  die Entscheidung für die Vergabe und Weitergabe der Stimmrechte den aktiven Verantwortungseigentümer:innen. Wenn nichts weiteres im Rahmen der Satzung festgelegt ist, entscheiden die Verantwortungseigentümer:innen mit der in der Satzung festgelegten Mehrheit über die Nachfolge/Hinzunahme von Verantwortungseigentümer:innen. Wenn gewünscht, können die Mehrheitsverhältnisse für Vergabe und Übergabe von Stimmrechten in der Satzung angepasst werden. Wenn in der Satzung nichts weiter rechtlich geregelt ist, so stimmt der/die betroffene Gesellschafter:in noch mit ab bzw. ist bei der notariellen Übertragung beteiligt.

Der Kooptationsansatz wird meist von Unternehmen gewählt, für die gilt, dass diejenigen, die Verantwortungseigentümer:innen sind, auch am besten wissen, welche Personen diese Aufgabe in Zukunft erfüllen sollen. Kooptation wird besonders häufig von Start-ups bei der Gründung oder einer frühen Umwandlung gewählt, wenn die Komplexität und die Anzahl der Stakeholder noch gering ist. Neben Start-ups wird diese Lösung allerdings auch von großen Unternehmen und Pionieren wie z.B. Bosch seit vielen Jahren praktiziert.

Viele Gründer:innen entscheiden sich zusätzlich zu der Kooptation auch dazu, dass ab einer gewissen Unternehmensgröße oder beim ersten Wechsel der Verantwortungseigentümer:innen verpflichtend ein Nachfolgerat (s.u.) eingerichtet werden muss. Ein weiteres Argument ist, dass es bspw. bei Todesfällen von Beginn an einen Kreis an passenden Entscheider:innen für die Nachfolge gibt. Häufig wird das Einrichten des Nachfolgerates bspw. an das Erreichen einer bestimmten Mitarbeiter:innen-Zahl gekoppelt. Sollte ein Nachfolgerat initial nicht verpflichtend in der Satzung aufgenommen werden, ist es natürlich in Zukunft weiterhin jederzeit möglich einen solchen einzurichten.

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Beispielformulierungen

„Sobald ein Wechsel der A-Anteilsinhaber:innen eintritt oder ein:e weitere:r A-Anteilsinhaber:in hinzukommt, wird ein Nachfolgerat eingerichtet.“

„Sobald 10 Mitarbeiter:innen in Vollzeit für das Unternehmen arbeiten, wird ein Nachfolgerat eingerichtet.“

Nachfolgerat/Beirat

Viele Start-ups und reife Unternehmen entscheiden sich dafür, mit der Umwandlung einen Nachfolgerat einzuführen. Die konkrete Ausgestaltung des Rates ist dabei äußerst vielfältig und kann, ebenso wie das gesamte Rechtskleid, passgenau für das jeweilige Unternehmen entwickelt werden. Manche Unternehmen setzen unabhängig zu den Nachfolge Überlegungen auch einen Beirat ein, der dann diese Entscheidung ebenfalls übernehmen kann.

Die jeweilige Formulierung sollte idealerweise die folgenden Punkte beantworten:

  • Aus wie vielen Personen soll der Nachfolgerat bestehen (fix/flexibel)?
  • Wie wird der Nachfolgerat initial eingesetzt?
  • Wie wird der Nachfolgerat in der Zukunft gewählt?
  • Für wie lange sind die Mitglieder gewählt? Ist eine Wiederwahl zulässig?
  • Sollen die Mitglieder stets aus einer oder mehreren Personengruppen (Mitarbeiter*innen-, Geschäftsführungs-, Verantwortungseigentümer*innen-Vertretung etc.) stammen?
  • Welche Rechte hat der Rat? Vorschlagsrecht? Vetorecht? Oder Entscheidung? Wenn Entscheidung, dann mit welcher Mehrheit?

All diese Regelungen müssen nicht zwingend schon von Beginn an getroffen werden, es empfiehlt sich jedoch, da so die nötige Klarheit über die Rolle des Nachfolgerates entsteht.

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Beispielformulierungen

„Die Gesellschaft hat einen aus 3 bis 5 Mitgliedern bestehenden Nachfolgerat. Die Mitglieder des Nachfolgerates werden von den Mitarbeiter*innen der Gesellschaft, die mindestens schon 24 Monate bei dieser angestellt sind, aus dem Kreis der A-Anteilsinhaber*innen und den fünf Angestellten mit der längsten Betriebszugehörigkeit mit einfacher Mehrheit gewählt. Die Wahl erfolgt für das laufende und die drei nachfolgenden Geschäftsjahre. Eine Wiederwahl ist zulässig.“

„Die Gesellschaft bestellt einen aus 3 bis 5 Mitgliedern bestehenden Nachfolgerat. Die Mitglieder des Nachfolgerats werden von den Inhaber*innen der A-Geschäftsanteile aus dem Kreis dieser Anteilsinhaber*innen und/oder der Führungskräfte der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gewählt. Die Wahl erfolgt für das laufende und die drei nachfolgenden Geschäftsjahre. Eine Wiederwahl ist zulässig.“

Beirat mit Nachfolgeentscheidung

Manche Unternehmen entschließen sich unabhängig von der Nachfolgeregelung dafür, einen Beirat rechtlich zu verankern. Dieser Beirat ist mit weiteren Rechten ausgestattet. Die Beiräte müssen beispielsweise bei bestimmten Themen konsultiert werden, und/oder überwachen die Nicht-Übertretung festgelegter „roter Linien“ der Verantwortungseigentümer:innen. Sollten die Verantwortungseigentümer:innen diese überschreiten, kann der Beirat das Stimmrecht der Person der verantwortlichen Person einziehen und auch neu verteilen. Solche „roten Linien“ wünschen sich manche Unternehmer:innen. Sie legen damit selbst fest, bei Überschreitung welcher Kriterien sie nicht mehr die passenden Eigentümer:innen sind und der Beirat überwacht die „roten Linien“. Zusätzlich zu diesen Aufgaben des Beirats kann natürlich auch die Nachfolgeregelung als ein weiteres Bestimmung- oder Mitbestimmungsrecht an den Beirat vergeben.

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Beispielformulierungen

Die Gesellschaft hat einen Beirat bestehend aus drei Mitgliedern. Ein Mitglied wird vom Kontrollgesellschafter / von der Kontrollgesellschafterin aus dem Kreise der Organe des Kontrollgesellschafters / der Kontrollgesellschafterin berufen. Ein Mitglied wird von der Geschäftsführung der Gesellschaft berufen, darf jedoch nicht selbst Mitglied der Geschäftsführung der Gesellschaft sein. Ein Mitglied wird von den zwei anderen Mitgliedern gemeinsam bestimmt. In keinem Fall darf das dritte Mitglied jedoch ein Mitglied der Geschäftsführung der Gesellschaft oder der Organe des Kontrollgesellschafters / der Kontrollgesellschafterin sein. Abweichend zu der beschriebenen Zusammensetzung darf die Geschäftsführung der Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Kontrollgesellschafter / der Kontrollgesellschafterin beschließen, dass der Beirat nur aus einer Person besteht. Sobald einer der beiden die Zustimmung zurückzieht, muss der Beirat wieder aus drei Mitgliedern bestehen.

Der Beirat wählt aus seiner Mitte eine:n Vorsitzende:n. Erklärungen des Beirats, die auf Beschlüssen des Plenums beruhen, wenden vom Vorsitzenden / von der Vorsitzenden abgegeben.

Der Beirat beschließt in den folgenden Fällen mit einfacher Mehrheit anstelle der Gesellschafter:innen-Versammlung über die Einziehung von A-Geschäftsanteilen gem. § xx und und deren Übertragung gem. § xxx auf den vom Beirat bestimmte Personen, die gem. § xxx zum Erwerb von A-Geschäftsanteilen befugt und auch dazu bereit sind:

  • Wenn die Gesellschaft aus irgendeinen Grund (z.B. auf Grund von Tod) keine Gesellschafter:innen mehr hat, die die Kriterien für Gesellschafter:innen der Gruppe 1. gem. § Abs xxx erfüllen, wobei der Beirat in diesem Fall zugleich über eine Bestellung zum / zur Geschäftsführer:in der vom Beirat bestimmten Personen beschließen kann;
  • Wenn ein:e Inhaber:in von A-Geschäftsanteilen als Geschäftsführer:in der Gesellschaft bzw. die Gesellschaft unter der Geschäftsführung dieses Gesellschafters/ dieser Gesellschafterin eine der folgenden “roten Linien” überschreitet, in Bezug auf die Geschäftsanteile dieses Gesellschafters / dieser Gesellschafterin:
    • Vorliegen eines rechtskräftig festgestellten oder unbestrittenen Verstoßes gegen gesetzliche, gesellschaftsvertragliche oder sich aus einer durch Gesellschafterbeschluss aufgestellten Geschäftsordnung ergeben Pflichten und (Alt. 1) Weigerungen, auf Aufforderung des Beirates einen dadurch entstandenen Vermögensschaden zu verhindern oder zu mildern oder (Alt. 2) erneute Begehung desselben oder eines gleichartigen Verstoßes;
    • Vorliegen eines zwingenden Insolvenzgrundes (§§ 17, 19 Insolvenzordnung) bei der Gesellschaft.

Der Beirat hat vor seiner Beschlussfassung sämtliche Gesellschafter:innen anzuhören. In Fällen des § XX beschließt der Beirat zugleich über die Abberufung der betroffenen Gesellschafter:innen als Geschäftsführer:innen.

Über die Zustimmung zu Verfügungen über A-Geschäftsanteile gem. § xx beschließt der Beirat mit einfacher Mehrheit.

Weitere Beispiele

Die hier aufgeführten Varianten der Gestaltung des Nachfolgerates sind lediglich typische Beispiele aus unserem Netzwerk. Weitere Möglichkeiten sind zum Beispiel je nach Bedürfnissen der Unternehmen:

  • die Vergabe festgelegter Sitze im Nachfolgerat für (langjährige) Mitarbeiter:innen, externe Berater:innen, etc.
  • ausscheidende Eigentümer:innen wechseln in den Nachfolge/Beirat
  • der Nachfolgerat kooptiert sich.

Letztlich sollen die hier genannten Beispiele Inspiration bieten, auf Basis derer eine passende Lösung für das eigene Unternehmen entwickelt werden kann.

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Herausgeber: Purpose Schweiz

Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung