In welchem Umfang und in welcher Form ermöglichen wir Stimmrechte für “externe” Personen?
Wie können Stimmrechte oder eine abgestufte Form der Mitbestimmung definiert werden? Insbesondere rund um die Rolle der Investor:innen kann dies eine zentrale Frage sein, da in Steward-Ownership mit einem Investment nicht automatisch Stimmrechte kommen, aber durchaus gewollt ist, die Beziehung zu den Investor:innen und ihre Rolle aktiv zu gestalten.
Zusätzliche Gremien
Welche Governance-Regeln und Strukturen sollen zusätzlich zu dem Eigentumsrechten strukturiert werden (Beiräte, Red Lines, Rolle der Geschäftsführung und Zusammenarbeit mit ihr, Mitarbeitermitbestimmung)? Basis dazu kann wiederum die Überlegung zu den Facetten der Mitbestimmung liefern.
Stimmrechte für Berater:innen und Investor:innen?
Eine Frage, mit der wir häufig konfrontiert werden, ist die, ob nicht auch Investor:innen und Berater:innen Stimmrechte erhalten können und ob dies sinnvoll mit den Prinzipien des Verantwortungseigentum zu verbinden sei. Zu der ersten Frage: Ja, Investor:innen und Berater:innen können Stimmrechte erhalten, wenn sie entsprechend unternehmerisch in die Verantwortung gehen. Ein Beispiel hierfür sind Angel-Investor:innen, die neben ihrer Investor:innen-Rolle noch eine weitere als Mitunternehmer:in ausfüllen. Für die Entscheidung, ob diesem Angel dann Stimmrecht übertragen werden sollen, ist lediglich die Rolle als Mitunternehmer:in relevant. Da gleiche gilt auch für Berater:innen. Diesem Prinzip folgenden sind Stimmrechte bei Berater:innen und Investor:innen auch in Steward-Ownership möglich, aber eben nicht aufgrund von ihrer Funktion als Investor:innen oder Berater:innen, sondern als Mitunternehmer:innen. Neben diesen Leitgedanken können, passend zu den Unternehmensbedürfnissen, weitere individuelle Lösungen geschaffen werden.
Beiräte
Eine mögliche Lösung für das Gestalten einer Verbindung zwischen Unternehmen und Investor:innen, Berater:innen oder anderen wichtigen Bezugspersonen ohne die direkte Übergabe von Stimmrechten ist ein Beirat. Dieser kann formell, rechtlich gestaltet sein und entsprechend mit bestimmten Rechten und Pflichten ausgestattet oder auch als Sounding Board/Advisory Board, also ohne Rechte und Pflichten, geschaffen werden.
Bei der rechtlichen Formalisierung sollte darauf geachtet werden, dass die Rechte des Beirates nicht die Prinzipien von Steward-Ownership untergraben, indem zu viel Einfluss auf die Unternehmung genommen werden kann. Die Stewards selbst sollten weiterhin am Steuerrad sitzen. Daher bieten sich vor allen Dingen Konsultationspflichten und einzelne Rechte an. Die Auswahl dieser Rechte erfolgt dann wieder auf der Basis der Bedürfnisse des Unternehmen (bei welchen Themen möchten wir beraten werden) und der Berater:innen (bei welchen Themen möchten wir gehört werden müssen).
Ein rechtlicher Beirat ist bspw. auch mit einem Nachfolgerat kombinierbar. Hier würde bspw. für die Ernennung von Stewards ein Veto-Recht beim Beirat liegen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Aufsicht über bestimmte „rote Linien“, die die Stewards nicht übertreten dürfen. Sollten sie dies doch tun, kann der Beirat das Stimmrecht der verantwortlichen Person einziehen und auch neu verteilen. Solche „roten Linien“ wünschen sich manche Unternehmer:innen. Sie legen damit selbst fest, wann sie nicht mehr die passenden Eigentümer:innen sind und der Beirat überwacht die „roten Linien“.
Ein solcher Beirat, vor allen Dingen der rechtlicher Natur, bedeutet natürlich zusätzlichen Aufwand und auch Kosten und sollte daher mit konkreten Bedürfnissen und antizipierten Mehrwert für das Unternehmen verbunden sein. Die Variante der nicht-rechtlichen Beiräten wird von vielen Start-ups in Steward-Ownership wie Wildplastic oder Payactive genutzt. Sie ergeben sich meist organisch aus dem geteilten Interesse der Beteiligten, ein erfolgreiches Unternehmen zu gestalten.
Stimmrechte für andere Stakeholder?
Natürlich lassen sich Gremien wie Beiräte oder Advisory Boards auch auf Überlegungen aus anderen Stakeholder-Ansprüchen gestalten. Wenn eine externe Vertretung von Kund:innen, Partner:innen oder Familienmitgliedern zwar nicht auf Ebene der Stimmrechte in Frage kommt, aber durchaus ein Resonanzgremium geschaffen werden soll, wo diese Perspektiven Einzug nehmen. Auch für Mitarbeiter:innen-Vertretungen könne ein separates Vehikel sinnvoll sein.
Herausgeber: Purpose Schweiz
Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung