Wer sollte im Unternehmen aus welchen Gründen als Steward Owner formale Macht haben?
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Hier kannst du vom Grossen starten bevor du in die Details gehst. Folgende Beispiele für die grundsätzliche Zusammenstellung einer Gruppe an Stewards zeigt dir verschiedene Dimensionen auf, in denen du dich selber verorten kannst.
Stimmrechtsverteilung und Steward-Ownership
Mit der Entscheidung, Steward-Ownership umzusetzen, ist eine Entscheidung bzgl. der Verteilung der Stimmrechte bereits gefallen. Denn durch das Selbstbestimmungsprinzip ist festgelegt, dass nur Menschen, die mit dem Unternehmen eng verbunden sind, das Steuerrad des Unternehmens, die Stimmrechte, treuhänderisch übernehmen dürfen. Bleibt also, wie bei jeder Gründung, noch die Frage, wie soll das Stimmrecht verteilt werden? Soll das Stimmrecht bei einer einzelnen oder einigen wenigen Personen oder allen liegen, bleibt es stets bei bestimmten Personengruppen? Purpose-Unternehmen praktizieren eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen zur Stimmrechtsverteilung, die von jedem Unternehmen individuell gewählt und passend umgesetzt wurde.
Die Leitfrage für die Verteilung des Stimmrechts ist für alle Unternehmen gleich: Welche Personen bringen sich unternehmerisch für die Idee ein, gehen in die volle Verantwortung für das Unternehmen und sind von ihren Fähigkeiten und Werten geeignet, Mitgründer:in und Miteigentümer:in zu werden?
Wie bei der Gestaltung des Rechtskleides im Allgemeinen, soll der im Folgenden gegebene Überblick die Vielfalt der Möglichkeiten aufzeigen und Inspiration liefern. Letztlich ist jedes Unternehmen mit seiner eigenen Kultur einzigartig, und so die Lösungen ebenfalls.
Verteilung des Stimmrechts
Die individuell passende Verteilung des Stimmrechts und damit die Frage, wer Steward ist und in Zukunft sein kann, muss jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden. Theoretisch ist alles von einem oder einer einzigen Steward bis hin zu einer demokratischen Verteilung des Stimmrechts unter allen Mitarbeiter:innen des Unternehmens möglich. Auch eine Anpassung der Verteilung der Stimmrechte ist in der Zukunft weiterhin möglich. Die Entscheidung für die individuell passende Verteilung basiert häufig auf der im Unternehmen herrschenden Kultur und die Verteilung von Entscheidungsbefugnissen vor der Transformation.
Dabei sind insbesondere drei Fragen zu klären:
- Welche Personen(-gruppe), d.h. wie viele Menschen, sollen Stimmrechte halten
- nach welcher Logik sollen die Stimmrechte unter den definierten Personen verteilt und
- mit welcher Mehrheit soll letztlich entschieden werden.
Verortung im Quadranten der Voting-Share Map
Ein guter Startpunkt, um die eigenen Bedürfnisse an die Stimmrechtsverteilung zu entwickeln, ist die Verortung innerhalb des folgenden Vier-Quadranten-Modells. In dem Modell ist die Verortung des Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Meritokratie und Demokratie sowie zwischen der Verteilung auf Menschen aus dem Unternehmen (Interne) und nicht unmittelbar im Unternehmen arbeitende Personen (Externe) möglich.
- Meritokratie: Eher wenige und ausgewählte Personen, die sich im oder für das Unternehmen verdient gemacht haben (bspw. Erreichen einer gewissen Management-Stufe, Gründer:in, langjährige Begleitung).
- Demokratie: Viele oder alle sollen/müssen entweder nur die Möglichkeit darauf oder auch tatsächlich Stimmrechte übernehmen (bspw. alle Mitarbeitenden, gegebenenfalls mit qualifizierenden Einschränkungen).
- Intern: Personen aus dem Unternehmen.
- Extern: Personen aus dem nahen Umfeld des Unternehmens, Vertretende von Stakeholder wie Investor:innen, Kund:innen, Partner:innen, Familienmitglieder, oder enge Vertraute).
Zwecks Orientierung sind in der Darstellung bereits einige Unternehmen verortet. Die Einordnung der jeweiligen Unternehmen bezieht sich dabei nur auf die Verteilung des Eigentums/Stimmrechts in den jeweiligen Unternehmen. Sie sagt nur bedingt etwas über die gelebte Entscheidungskultur unterhalb der Eigentums-Ebene im Unternehmen aus.
Informationen zu den Unternehmen:
- Bosch: 10 Stewards, zur einen Hälfte mit Menschen aus dem Unternehmen und zur anderen Hälfte mit externen, langjährigen Begleiter:innen des Unternehmens besetzt.
- Ecosia: Zwei Stewards, die Gründer und Geschäftsführer
- Soulbottles: Derzeit vier Stewards und die Möglichkeit für alle Mitarbeiter:innen bei Erfüllung genannter Kriterien.
- Zeiss: Die mehrheitliche Kontrolle der Stimmrechte liegt bei Unternehmensexternen (Stiftungsrat). Es gibt jedoch eine Vertretung des Unternehmens im Stiftungsrat sowie einen Vorstandsbeirat, welcher eine Verbindung zu den Unternehmen sicherstellt.
- Bio verlag: Die Mehrheit der Stimmrechte liegt bei aktiven Mitarbeiter:innen des bio verlags. Eine Stimmrechtsminderheit liegt in einer gemeinnützigen Stiftung.
Im Rahmen der eigenen Verortung ist eine Auseinandersetzungen mit den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Extreme sinnvoll.
Im Folgenden sind einige Risiken und Chancen aufgeführt:
Chancen | Risiken | |
Intern | Unternehmertum
Initiative
Schnelle Entscheidungen | Keine Checks & Balances
Selbstverliebt in den Abgrund |
Extern | Aussenperspektive wird mit einbezogen
Befruchtung von Aussen | Verwalten statt Gestalten
Unternehmertum-feindlich
Paternalistisch |
Demokratie | Rechtliches Eigentum führt zu
breitem emotionalen Eigentum | Eigentümer:innen ≠ emotionale Eigentümer:innen
Langsamkeit und Mittelmässigkeit
Unternehmerische Initiative wird getötet |
Meritokratie | Unternehmerische Initiative
Schnelle Entscheidungen
Lange Wertetreue
Wirkliche Eigentümer:innen | Abgehobene Eigentümer:innen
Verhinderung von emotionalem Eigentum bei Mitarbeiter:innen |
Herausgeber: Purpose Schweiz
Grafiken und Illustrationen: Purpose Stiftung